Baumriesen und Orchideenzwerge verzaubern Glashäuser im Botanischen Garten

Traditionelle Ausstellung mit neuer Sammlung aus den Anden-Nebelwäldern

Eins der Prachtexemplare der Ausstellung.

Orchideen faszinieren Menschen schon seit Jahrtausenden. Sie sind Symbol für Schönheit und Seltenheit; einige stehen im Ruf, besonders pfiffig zu sein; andere sind nützlich. Ab dem kommenden Wochenende bietet sich in den Pflanzenschauhäusern des Botanischen Gartens Rombergpark erneut Gelegenheit, dieser besonderen Pflanzenfamilie zu begegnen. Die traditionelle Frühjahrsschau steht diesmal unter dem Motto „Von Baumriesen und Orchideenzwergen“. Sie wird am Samstag, 28. und Sonntag, 29. Januar, mit einer gleichzeitigen Verkaufs- und Beratungsaktion eingeweiht und dauert bis Ende März.

Eberhard Hoffmann freut sich, dass die neuen Pflanzen an ihrem Platz sind.

Insgesamt gibt es auf der Welt ca. 25.000 Arten Orchideen; Botaniker diskutieren, ob es nur 15.000 oder gar 30.000 sein könnten. In den Rombergpark-Glashäusern werden in diesem Jahr rund 200 kleinere Wildarten, über 450 große Arten und Sorten sowie 70 bis 80 ältere Züchtungen aus dem Bestand des Botanischen Gartens gezeigt. Erstmals ist eine Sammlung teilweise winziger Wildarten aus den Nebelwäldern der Anden und den Bergen Zentralamerikas dabei.

Der Kaffeestrauch hat eine kleine Mitbewohnerin

Im Team geht das Umpflanzen schneller.

Die Freunde und Förderer des Botanischen Gartens haben die 177 neuen Arten gespendet. Wie der 1. Vorsitzende des Vereins, Eberhard Hoffmann, berichtet, wurden 2017 allein dafür 2 235 € aufgewendet, insgesamt rund 3000 €. Die Orchideenzwerge tragen Namen wie Barbosella, Octomerya, Platystele, Pleurothalis, Scaphosepalum und andere. Bei Freunden von Kreuzworträtseln ist vermutlich die ebenfalls in den Anden beheimatete Gattung namens „Aa“ bekannter als die neuen Glashausbewohner.

Eine Miniatur-Orchidee hat sich übrigens eine weit verbreitete Nutzpflanze als Heimstatt ausgesucht, den Kaffeestrauch. Sie wurzelt bevorzugt in den Sprossachsen. Da wundert es nicht, dass auf Kaffeeplantagen „Orchideenzupfer“ beschäftigt werden. Der Kaffeestrauch und seine kleine Bewohnerin werden in der Ausstellung auch vorgestellt. Besucher haben Gelegenheit, an dem dazugehörigen Stand einen klassischen Mokka zu genießen.

Eine Gewürzlieferantin und etliche Trickbetrügerinnen

Es gibt auch innerhalb der riesigen Sippe bekannte Nutzpflanzen. Die Vanille, eine ansehnliche, 10 bis 15 Meter lange Schlingpflanze, trägt den botanischen Namen Vanilla planifolia, und hat typische, grünlich-gelbe Orchideenblüten. Das wertvolle Gewürz steckt in den länglichen Samenkapseln. Ursprünglich stammt sie aus Mexiko und Mittelamerika, wird aber inzwischen meist auf Madagaskar und La Réunion angebaut.

Die Großfamilie weist noch andere Besonderheiten auf, zum Beispiel clevere Trickbetrüger. In der Gattung Ophrys, mit deutschem Namen Ragwurz, ist es üblich, die eigenen Blüten als Insektenweibchen, z. B. als Wespe oder Biene zu verkleiden und sogar so zu duften. Die Männchen der jeweiligen Art werden perfekt in die Irre geführt. Sie stürzen sich auf eine Orchideenblüte nach der anderen. Sich selbst nützen sie damit zwar nicht, aber zur Verbreitung der kleinen Wildorchideen tragen sie auf jeden Fall bei. Die meisten Arten dieser Gattung findet man am Mittelmeer.

Nicht nur der Frauenschuh ist streng geschützt

Was nicht so bekannt ist: Auch in Deutschland wachsen wilde Orchideen, die meisten sind recht klein und die Blüten eher bescheiden. Die extrem seltene Frauenschuh-Orchidee ist allerdings so prächtig, dass sie inzwischen arg bedroht ist. Die Standorte ihrer Vorkommen werden von Naturschützern geheim gehalten, damit sie nicht gestohlen werden. Sie sind, wie übrigens alle Orchideen, streng geschützt. Einige Orchideenarten sind keineswegs so selten, so z. B. die Breitblättrige Stendelwurz Epipactus helleborine, deren Bestand allerdings auch zurückgeht und die deshalb 2006 zur Orchidee des Jahres gekürt wurde. Orchidee des Jahres 2017 ist das Weiße Waldvögelein Cephalanthera damasonium. Auch sie ist nicht im Bestand gefährdet. Die Stendelwurz z. B. entdeckt man  in Naturschutzgebieten, auf dem Friedhof, in Gehwegritzen oder an der Autobahn. Im Botanischen Garten Rombergpark sind sie auch zu finden, wenn auch nicht in der Ausstellung, sondern draußen.

Wer davon träumt, selbst Orchideen in den eigenen Garten zu pflanzen, muss keine kriminelle Energie entwickeln und die geschützten Spezies aus der Natur stehlen. Es gibt Spezialgärtnereien, die in Europa winterharte Arten und Sorten anbieten. Was ebenso wichtig ist: Beim Experten wird man auch in punkto Bodenqualität und Standort beraten. Orchideen können überaus robust sein, wenn man ihnen die richtige Pflege angedeihen lässt. Auf Fehler reagieren sie aber gern verschnupft.

Umgestürzte Baumriesen als Lebensraum und Deko-Vorbild

Ein “umgestürzter” Riese als Herberge für wilde Orchideen.

Nicht selten sind es umgestürzte Baumriesen, die im Dschungel zum Lebensraum für andere Pflanzen werden. Viele Orchideen leben als solche „Aufsitzer“. In den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts war es eine Zeitlang üblich, Baumstämme mit darauf befestigten Orchideen und anderen Pflanzen in Wohnungen aufzustellen.

Die damals beliebten Orchideenzüchtungen hatten häufig sehr

Dr. Knopf präsentiert eine “altmodische” Sorte mit Riesenblüten.

große Blüten und erwiesen sich oft als empfindlich und anspruchsvoll, sodass sie wieder aus der Mode kamen. Dr. Patrick Knopf, der Direktor des Botanischen Gartens, ist froh, dass im Bestand noch eine Reihe solcher inzwischen seltener Sorten vorhanden ist.

Wildromantisches Ambiente – selbstgemacht aus Altholz

Blüten und Früchte – unter Glas geht auch im Winter alles.

Das wildromantische Dschungeldekor, die Silhouette der „umgestürzten“ Riesenstämme, entstand in den Glashäusern übrigens aus Altholz, das in dem großen Gehölzbestand des Rombergparks bei Pflegemaßnahmen anfällt. Robinien- und Rhododendronholz sind am besten dafür geeignet, auch im feuchtwarmen Glashaus zu überdauern.

Laura Kalinowski…

Das Team der ehrenamtlichen Helferinnen, Annette Bals, Sabine Seichter und Christel Göertz hatten viele Stunden damit zu tun, die Ausstellung vorzubereiten, die gelieferten Exemplare entweder neu zu topfen oder auf einem Aststück zu befestigen. Die Auszubildende Laura Kalinowski entwickelte besonderes Talent beim Arrangieren der dekorativen Pflanzen mit ihren spektakulären Blütenständen.

… und ihre Kunstwerke mit blühenden Orchideen.

Dr. Patrick Knopf ist überzeugt, dass Liebhaber der Makro-Fotografie sich die Chance nicht entgehen lassen sollten, die teilweise bizarr und filigran geformten Blüten in den Fokus zu nehmen.

Dafür finden sich etliche Motive, z. B. allein ein über 20 Meter langer „gefallener“ Baumriese, bewachsen mit vielen Arten und Züchtungen der Gattung Cattleya. Der Eintritt kostet pro Person 2,50 €; Kleingruppen zahlen fünf bis 7,50 € (ein bzw. zwei Erwachsene mit bis zu vier minderjährigen Kindern).

Kindern macht der Besuch übrigens auch wegen der in den Glashäusern frei lebenden Tiere Spaß: Begegnen kann man Schildkröten, Leguanen, Afrikanischen Riesen-Tausendfüßlern, Wachteln, Straußen-, Helm- und Gambelwachteln sowie Kois.

Da wartet noch jede Menge Arbeit, bis alles fertig ist für die Ausstellung.
Alle Fotos: M. Zybon-Biermann

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