Besuch im Vogtsturm des Schlosses Bodelschwingh

Der Vogtsturm, ein Kleinod und vermutlich das älteste Bauwerk der gesamten Schlossanlage

Das Schloss Bodelschwingh ist eines der schönsten Wasserschlösser in Westfalen. Es zählt mit zu den Burgen, Schlössern und Rittergütern im Emschertal, wie auch das Schloß Bladenhorst in Castrop- Rauxel, das Haus Rodenberg in Dortmund- Aplerbeck und das Schloss Strünkede in Herne.
Erbaut wurde es um 1300.

Es besteht aus einem Herrenhaus inmitten eines Hausteichs sowie einer südwestlich vorgelagerten Vorburg, begrenzt von einer eigenen Gräfte. Beide Gebäudekomplexe sind von einem 18 Hektar großen Schlosspark umgeben.

Über eine Lindenallee kommt man zum Eingang des Schlosses, der von einem quadratischen, sehr beeindruckenden Turm flankiert wird. Bei diesem auch Vogtsturm genannten Bau handelt es sich um einen mittelalterlichen Wohnturm. Die Herren von Bodelschwingh bewohnten ihn, ehe sie in das neu errichtete Zweiraumhaus umzogen. Der Turm dürfte somit das älteste Bauwerk der gesamten Schlossanlage (vor 1200) sein. Er war wahrscheinlich in seinen Anfängen von einem Erdhügel und einem eigenen Wassergraben umgeben und grenzt auch heute noch an die Gräfte.

Seine drei unteren Geschosses zeigen spätmittelalterliches Bruchsteinmauerwerk, während das vierte Obergeschoss aus Backstein errichtet ist. Dort befindet sich auch der einstige Hocheingang. Darüber erhebt sich ein auskragendes fünftes Fachwerkgeschoss aus Eichenholz, das in seiner heutigen Form aus dem 18. Jahrhundert stammt. Den oberen Abschluss des Baus bildet ein Pyramidendach mit Dachreiter und Glockenturm.

Dieser Turm weckte auf seinen „Reviergängen“ in den 1960er Jahren des letzten Jahrtausends das Interesse des in Bodelschwingh lebenden Innenarchitekten Reginald Meyer. Nach vielen Überlegungen und Gesprächen mit seiner Ehefrau Ute beschlossen beide, dieses Bauwerk zu restaurieren. Zugleich wurde der Turm auf Erbpachtbasis für 99 Jahre gepachtet.

Damals, 1972, wurde der gesamte Turm als Abstellraum und Milchkeller für die Landwirtschaft genutzt. Die historischen Deckenbalken waren vorhanden. Die einzelnen Etagen waren nur über eine schmale Stiege, die an der Wand entlang lief, zu erreichen.
Nach Erstellung der Planungsunterlagen und Erteilung der Baugenehmigung begannen die aufwendigen Renovierungsarbeiten. Das gesamte Objekt wurde kernsaniert, natürlich unter Einhaltung der strengen Auflagen der zuständigen Denkmalbehörde. In das Fachwerk unterhalb des Pyramidendaches wurden die vorhandenen Fenster stilgerecht erneuert. Die historische Uhr mit der Stundenglocke wurde restauriert und elektrisiert, so dass sie auch heute noch viertelstündlich die Zeit anzeigt.

In den folgenden zwei Jahren entstand ein wahres Kleinod. Die Wohnfläche von ca. 450 qm verteilt sich über sechs Stockwerke. Das Kernstück innerhalb des Turmes bildet die Wendeltreppe aus massivem Holz, die mit 79 Stufen den Dachboden mit dem Untergeschoß verbindet. In jedem Stockwerk befinden sich von R. Meyer, der auch Schreinermeister war, selbst entworfene und erstellte Möbel, die er in die ungewöhnliche „Wohnlandschaft“ eingepasst hat.

Ersteigt man den Turm über die imposante Wendeltreppe, hat man, je nach Himmelsrichtung, immer wieder neue Ein- und Ausblicke. So sieht man durch die erhaltenen, ursprünglichen Fenster die Gräfte und das Wasserschloss aus immer neuen Perspektiven. Ein umwerfendes Panorama ergibt sich in der obersten Etage. Man überschaut die gesamte Schlossanlage mit den einstigen Wirtschaftsgebäuden, die sich hufeisenförmig um einen fast quadratischen Binnenhof gruppieren. Die südwestliche Schmalseite wird von einem Gebäude begrenzt, das im Kern aus dem 18. Jahrhundert stammt. Die großen Toreinfahrten verdeutlichen sehr gut die einstige landwirtschaftliche Verwendung.
In den 1980er Jahren wurden sämtliche Vorburggebäude modernisiert und zu Mietwohnungen sowie Geschäftsräumen umgewandelt.

Diese überwältigenden Ausblicke über die Schlossanlage, das Schloss und die angrenzenden Waldgebiete sind den „Aufstieg“ allemal wert. Man wähnt sich „auf dem Lande“ und nicht in dem Vorort einer Großstadt im Ruhrgebiet.
Leider konnte R. Meyer nur noch sieben Jahre in seinem Lebenswerk wohnen und werkeln. 1981 verstarb er nach kurzer, schwerer Krankheit.

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