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Ein Jahr Freiwilligendienst in Mosambik (6. und letzte Folge)

Die Mengederin Meret Willing, die bisher noch nie alleine länger aus Mengede weg war, hat  seit dem 1.8.2017  in  Mosambik gelebt und hat dort an einem einjährigen internationalen Jugendaustausch des ICJA teilgenommen. (vgl. auch die bisherigen Berichte auf MENGEDE:InTakt!).
Der ICJA ist ein weltweit tätiger Verein, der für junge und ältere Menschen Freiwilligendienste in aller Welt organisiert. Gleichzeitig betreut er ICJA Freiwillige aus allen Kontinenten, die in Deutschland in sozialen, politischen oder ökologischen Projekten mitarbeiten. Wir haben mit Meret verabredet, dass sie in unregelmäßigen Abständen über Ihren Aufenthalt berichtet. Das Jahr ist abgelaufen – Meret ist wieder zurück in Deutschland; folglich ist dies die letzte Folge der Berichte aus Mosambik. (K.N.)

Veränderungen bringen neue Erfahrungen

Und nun ist ein Jahr vorbei. Es war ein schnelles Jahr.
Es hatte viele Höhepunkte, aber auch viele Tiefpunkte. Was ich auf jeden Fall sagen kann, dass sich mein Leben im letzten halben Jahr drastisch verändert hat im Vergleich zur ersten Hälfte meines Freiwilligenjahres.

Ich sitze gerade im Flugzeug, befinde mich, glaube ich, noch über Südafrika und lasse mein letztes Jahr Revue passieren. Ja, zum Anfang des neuen Jahres hat sich bei mir viel verändert. Das hängt vor allem mit drei Entscheidungen zusammen, die ich getroffen habe. Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich mich so entschied und auch die Stärke besaß diese Entscheidungen durchzuführen und mir damit auch die ein oder andere Schwäche einzugestehen.

Die erste Entscheidung hing mit meiner Wohnsituation zusammen. Vor allem durch die häufige Abwesenheit meiner Gastmutter, das einzige Familienmitglied meiner Gastfamilie, fühlte ich mich oft allein und wenig integriert. Ich denke aber, dass eine Gastfamilie ein optimaler Weg zur Integration ist. Ich konnte mich in meiner jedoch leider wenig integrieren und so beschloss ich in eine WG mit anderen Freiwilligen zu ziehen. Ich lernte auf engstem Raum mit anderen Personen zu leben und mich auf ihre Bedürfnisse einzustellen, mich selber um einen nicht ganz einfachen Haushalt, ohne durchgängig fließendes Wasser, zu kümmern und fand schnell Freunde und Bekannte in meinem neuen Viertel. Vor allem die Kinder der Nachbarn kamen oft zu uns, eigentlich sogar jeden Tag für mehrere Stunden, sodass sich unser Haus zu einem Rückzugsort entwickelte, in dem sie spielen, malen und basteln konnten.

Mein Projektwechsel war die zweite große Entscheidung. Ich traf die Entscheidung nicht ganz freiwillig, da es eigentlich notgedrungen war. Nach der Kündigung zweier Mitarbeiterinnen allein auf 17 Kinder aufpassen zu müssen war absolut nicht unsere Aufgabe; so wechselten Maria, die andere Freiwillige, und ich in ein Heim für Menschen mit Behinderungen. Diese Arbeit gefiel mir ausgesprochen gut, was mich überraschte. Vor einem Jahr noch hätte ich mir eine solche Arbeit, in der ich Menschen mit Behinderung im Alter von eins bis 36 Jahren füttern, waschen, wickeln und unterhalten soll, nur schwer vorstellen können. Ich habe dort gelernt auf viele Wege nonverbal zu kommunizieren und so enge Verbindungen zu Menschen aufzubauen. Auch wurde mir bei meiner Arbeit ein weiteres Privileg bewusst, das mir zuvor nicht so offensichtlich war. Auch körperliche und geistige Gesundheit ist etwas für das ich jeden Tag dankbar sein sollte und für viele Menschen nicht selbstverständlich ist.
Unabhängig und selbstständig zu sein bleibt also noch mehr Menschen verwehrt.

Als drittes entschied sich mein Freund in Deutschland die letzten drei Monate mit mir in Mosambik zu verbringen. Es trug vielleicht nicht unbedingt zu meiner Integration bei, doch festigte es unsere Beziehung und erleichterte mir meine Zeit.

Ich kann nicht sagen, dass ich in der zweiten Hälfte des Jahres gerne viel anders gemacht hätte, da ich den Verlauf den meine Entscheidungen nahmen definitiv gut heißen kann. Natürlich gibt es an der ein oder anderen Stelle schon Dinge, die hätten anders laufen können. Ich kann aber auch im Nachhinein gut nachvollziehen, warum ich damals so entschied. Zum Beispiel finde ich meine Portugiesischkenntnisse nicht besonders gut, dafür dass ich ein Jahr in einem hauptsächlich portugiesischsprachigen Land lebte. Es fehlte mir zu Beginn einfach an Kraft, neben meinem völlig neuen Alltag noch intensiv die Landessprache zu lernen.

Vor allem durch mein Projekt konnte ich mir aber ein kleines Vokabular in Changana aufbauen, sodass ich mich inzwischen mit einigen Floskeln verständigen kann und Menschen mir offener begegneten, wenn ich sie in ihrer Sprache begrüßte. Sprache generell ist, denke ich, immer elementare Voraussetzung zur Integration. Auch durch die Nachbarskinder lernte ich viele neue Dinge und bewunderte ihre Selbstständigkeit, die im Vergleich zu deutschen Kindern außerordentlich ist. Unser achtjähriger Nachbar Kandido räumte z.B. wie selbstverständlich sein Geschirr ab und wusch es, wenn er bei uns aß.

In meinem Projekt an sich konnte ich nicht viel verändern und bewirken, wieso auch?
Ich denke, dass es nicht meine Aufgabe war, großartig Dinge zu verändern, besonders weil meine Kolleginnen sich wirklich sehr liebevoll um die Menschen im Heim kümmerten und auch der Standard verglichen mit anderen Projekten ähnlicher Art recht gut war. Ich pflegte die Kinder und Erwachsenen, malte mit ihnen und förderte so ihre Motoriken, wofür meine Kolleginnen oft nicht so viel Zeit hatten. Ich denke, ich wurde irgendwann als gute Unterstützung angesehen und so wurden mir auch verantwortungsvollere Aufgaben übergeben, die aber nie die Arbeit meiner Kolleginnen überschritt, was mir sehr gut gefiel.

Abschließend war das Jahr auf keinen Fall wie erwartet. Das wäre auch eher ungewöhnlich, da die meisten meiner Erwartungen mit der Wirklichkeit wenig zu tun haben. Sie beruhten im Wesentlichen auf Berichten von fremden Personen , die mit Dingen anders umgehen als ich, Ich habe auf jeden Fall viel gelernt in dem Jahr. Vor allem wurde ich für meine vielen Privilegien sensibilisiert und denke, dass ich mit einem deutlich veränderten Welt- und Selbstbild nun nach Deutschland zurückkehre.

Mir ist klar geworden, dass der Kolonialismus nicht verschwunden ist und immer noch eine riesige Macht von Europa und den anderen westlichen Großmächten ausgeht, welche weiterhin die Länder in Afrika ausbeuten und die Ungleichheit dadurch immer mehr wachsen lassen.
Ich selber habe gesehen, dass ich zu den wenigen wohlhabendsten Menschen der Welt gehöre und fühle mich dadurch, dass dieser Reichtum auch mit Macht verbunden ist, nun in der Aufgabe, der Ungerechtigkeit weltweit in irgendeiner Form entgegen zu wirken.

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