Erst das Spray, dann der Freistoß!

Ein erfolgreiches Produkt – das Freistoß-Spray aus Nordwalde

Warum Schiedsrichter nicht nur pfeifen, sondern auch sprühen

Von Henry Mühlhausen

Fußballfans ist die Szene seit mehreren Jahren aus dem Stadion oder dem Fernsehen bekannt:
Eine Mannschaft erhält vom Schiedsrichter einen Freistoß zugesprochen, das gegnerische Team formiert seine Mauer und der Schiedsrichter hält eine Spraydose in der Hand. Mit dieser Spraydose sprüht er auf dem Rasen eine Linie aus weißem Schaum, vor der sich die Mauer aufbauen darf und dann anschließend noch eine Markierung, von welcher der Freistoß dann ausgeführt wird.

Dieser, seit Jahren den Zuschauern geläufige Vorgang, führt immer noch zu Fragen wie:

  • Warum sprüht der Schiedsrichter überhaupt?
  • Und vor allem: was wird da überhaupt für eine Substanz gesprüht? Ist das Rasierschaum? Teppichschnee? Sprühsahne? Oder was sonst?

Die Geschichte, was es mit dem Spray, oder genauer gesagt, mit dem Freistoß- bzw. Schiedsrichter-Spray auf sich hat, liegt in ihren Ursprüngen schon über 20 Jahre zurück. Und sie hat vor allem sehr viel mit der „SCHWEIZER-EFFAX GmbH zu tun, ein führender Hersteller pharmazeutischer Produkte aus Nordwalde im Münsterland, rund 60 km von Dortmund entfernt. 

Von der ersten Idee bis zur Praxistauglichkeit – eine lange Geschichte
Als Erfinder der ersten Generation des Freistoß-Sprays gelten der argentinische Amateurfußballspieler Pablo Silva und der Brasilianer Heine Allemagne. Allemagne hatte bei einem Fußballspiel beobachtet, dass die Diskussionen zwischen Schiedsrichter und den Spielern, die eine Mauer bei einem Freistoß bildeten, spielverzögernd und irritierend waren. Darüber hinaus formierte sich die Freistoßmauer (9,15 m Abstand vom Ball zur Mauer) nicht  regelkonform. Eine Regelung in Form einer Abstandsmarkierung existierte noch nicht. Damit war die Idee für die Einführung des Freistoß-Sprays geboren.     

Erstmalig wurde das darauf hin von den beiden Südamerikanern entwickelte Spray in Brasilien im Jahr 2000 bei einem Pokalspiel von Belo Horizonte angewandt. Nachdem es dann in mehreren südamerikanischen Ligen zum Einsatz kam, wurde es dann zunächst in Brasilien zur Pflicht. Bei der U-20-Fußball-Weltmeisterschaft 2013 kam es dann zum globalen Einsatz. Seitens der FIFA wurde dann der Beschluss gefasst, dass jeder Verband das Freistoß-Spray nutzen darf. Bei der WM 2014 bekam das Freistoß-Spray dann weltweite Aufmerksamkeit. Im Spiel der BRD gegen Portugal (4:0) wurde es zum ersten Mal in einer Partie der deutschen Nationalmannschaft gegen das Team von Cristiano Ronaldo & Co. eingesetzt.

Dieses WM-Spiel der deutschen Mannschaft war der Anlass, dass sich der Entwicklungsleiter des Nordwalder Pharmaunternehmens, Dr. Oliver Temme, entschloss, ein eigenes, selbst entwickeltes Schiedsrichter-Spray auf den Markt zu bringen. 

Auch im Fußballmuseum hat das Freistoß-Spray im Bereich „Schiedsrichter“ seinen Platz gefunden

Nach dem historischen WM-Titelgewinn der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 2014 wurde die Einführung des Sprays aus Brasilien dann auch für den Einsatz in den deutschen Profiligen beschlossen. Allerdings verhinderte ein TÜV-Gutachten aufgrund fehlender Produktkennzeichnungen und vom TÜV festgestellter hormoneller Unverträglichkeit, die umgehende Verwendung des südamerikanischen Sprays. Die Produktentwickler in Nordwalde präsentieren darauf hin ihren zwischenzeitlich entwickelten Prototyp eines neuen Sprays und ab der Saison 2015/16 wurde dieses neue Produkt dann in den deutschen Profiligen eingesetzt. 

Es stellte sich jedoch heraus, dass auch beim Produkt aus Nordwalde der Teufel – wie so häufig – im Detail steckt. Die korrekte Anwendung des Sprays wurde behindert durch noch mangelnde Schulungsmöglichkeiten für die Schiedsrichter, kalte Witterung und stellenweise zu starkem Wind. Dadurch waren die gesprühten Markierungen für Stadionbesucher und Kameras nicht immer deutlich erkennbar. 

Erneut stellen sich die Entwickler in den Laboren in Nordwalde den neuen Herausforderungen. Das erfolgreich eingeführte SPORT LAVIT® Ref Foam, das über die SCHWEIZER-EFFAX GmbH vertrieben wird, erfüllt seit Jahren alle Anforderungen im nationalen und internationalen Einsatz. Das Nordwalder Unternehmen ist seit 2015 offizieller Freistoßspray-Lieferant des DFB. Das Produkt ist komplett ökologisch abbaubar, der Schaum verschwindet schnell nach dem Sprühen und fungiert sogar als Rasendünger.

Übrigens blieben auch die Juristen in der Prozesskette von Entwicklung bis zur erfolgreichen Markteinführung des Sprays nicht arbeitslos. Mit Verweis auf ein vorliegendes Patent des brasilianischen Herstellers der „ersten Freistoßspray-Generation“ wurde die FIFA in 2018 auf einen Schadenersatz in Höhe von 27 Mio € verklagt. Die Klage erwies sich allerdings als haltlos, da die Eigenschaften des Produktes aus Brasilien im Vergleich zum Spray aus Nordwalde zu erheblich waren. Oder für Leser mit Chemie-know how: beim brasilianischen Erzeugnis handelte es sich um ein Spray mit zwei Tensiden (eine Substanz, welche die  Oberflächenspannung beeinflusst) während SPORT LAVIT® Ref Foam auf einer Rezeptur mit nur einem Tensid beruht.

Definitiv keine „Schaumschlägerei“
Das Freistoß-Spray hat sich im Laufe der Jahre fest etabliert und ist längst zum Standard geworden. In der Rückschau handelt es sich aus jetziger Sicht aber auch um die bewegte Chronik eines Produktes, welches kurze Zeit nach seiner Anwendung, nämlich dem Aufsprühen bereits nicht mehr zu sehen ist. 

Trotzdem hat es Chemiker, Juristen, Kaufleute, Schiedsrichter, Fußballer und Fußballverbände viele Jahre intensiv beschäftigt. 

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