Hass² – Eine Kolumne von Peter Grohmann

Peter Grohmann

Hass²

Von Peter Grohmann

Es gibt blinden Hass, Bayern-Hass und Hass auf Kartoffelbrei, von anderen Hassen ganz zu schweigen – auf Homosexuelle, die AfD und die Grünen, auf dicke Autos, RadfahrerInnen, Flüchtlinge, Genderei, Frauen und das Wettern der Woche. Es gibt welche, die hassen sich sogar selbst.

Hass ist menschlich und hilflos, so was hassen wir. Dagegen taumelte eben der VfB Stuttgart samt Publikum jubelnd mit einem 3:1 aus der früheren Adolf-Hitler-Kampfbahn. Nirgends Hass, nicht mal bei Manuel Neuer. Ganz anders am 1. Mai und drumrum. Da ließen testosterongesteuerte Jugendliche PolizistInnen und Polizeipferde tanzen. Das schafft Sympathien.

Die einen hassen Streiks, die anderen hassen hohe Mieten. Beides hat nachvollziehbare Gründe. Hass ist häufig das Produkt frühkindlicher Fehlentwicklungen: zu viel Alete, zu wenig Muttermilch. Generell fehlt’s oft an der dringend notwendigen Trennung von Gefühl und Verstand. Das führt zur Frage: Was hindert denn den Menschen am Menschlichsein? Warum treten Jugendliche einen hilflos am Boden liegenden Mann zu Tode? Warum sind die guten alten Wirtshausprügeleien passé, bei denen man sich anschließend die Hand gibt? Man wohnt im gleichen Dorf und muss morgen wieder gemeinsam auf den Acker der Republik.
Warum wird geprügelt und Gewalt geübt, mehr noch als im sonntäglichen Tatort? Wussten Sie, dass es Fußballspiele von Kindern gibt, bei denen die zuschauenden Väter aufs Spielfeld stürzen und den Gegner ohrfeigen, weil Sohnemann gefoult wurde? Oder dass LehrerInnen meist nicht mehr prügeln, aber häufiger selbst verprügelt werden? Wir reden hier von direkter Gewalt, so wie gern von direkter Demokratie geredet wird – dazu kommt natürlich noch die geballte Faust direkt aus den sozialen Medien – und direkt in die Fresse.

Mehr als fünfzig Prozent der Leute bekennen sich aus Furcht vor Hass im Netz seltener zur eigenen politischen Meinung, beteiligen sich weniger an Debatten oder Wahlen. Das gilt auch jenseits aller Netze: im Alltag, auf Arbeit, in der Schule. Lieber Maul halten. Besonders für junge Frauen sind sexualisierte Übergriffe in den sozialen Netzwerken Alltag, Personen mit Migrationshintergrund und queere Menschen sind heute viel öfter Gewaltandrohungen und Beleidigungen ausgesetzt.

Mensch, wie tickst du? Zehn Prozent wollen ihren alten Kaiser Wilhelm wieder haben (einen starrrken Führer, Diktatur & Einheitsbrei). Fast zwanzig Prozent sind sich sicher, dass Deutschland den anderen Nationen überlegen ist – trotz Kant und Hegel, Arendt und Arno Gruen. Ja, Gruen! Nehmen Sie sich in Sachen Hass bitte mal Arno Gruen zur Brust, wenn Sie der Hass auf die herrschenden Zustände überkommt. Verlinken Sie sich.

Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de

 

Kommentare sind geschlossen.