Mit der Förderung zeitgenössischer Autor*innen, die sich mit Phänomenen der Arbeitswelt auseinandersetzen, knüpft das Fritz-Hüser-Institut direkt an die Aktivitäten des Namensgebers an: Fritz Hüser war nicht nur Bibliothekar, sondern auch maßgeblicher Förderer vieler Schriftsteller*innen. Mit den Autor*innen Irma Mečević und Mario Schemmerl werden in diesem Jahr Themen aus der Welt der Pflegeberufe und der Arbeitssituation von Migrant*innen literarisch in den Fokus gerückt. Beide Stipendiat*innen werden sich in Dortmund mit einer Lesung vorstellen, sobald ihre Texte veröffentlicht sind.
Romanidee von Irma Mečević: Patriarchale Gewalt über Generationen
In „Heute, etwas wärmer“ verwebt Irma Mečević drei Frauenleben zu einem vielstimmigen Geflecht von wandelnder Geschichte, Erinnerung und Gegenwart. Von der Nachkriegszeit über den Jugoslawienkrieg bis zum Leben nach der Flucht zeichnet der Text mit großer sprachlicher Wucht nach, wie Krieg, Migration und prekäre Arbeitsverhältnisse Körper und Biografien prägen. Die Geschichte überzeugt die Jury durch ihre Sprache und Relevanz, und macht Lust auf den entstehenden Roman. „Mečević macht sichtbar, was oft unsichtbar bleibt: Arbeit an Fließbändern, Arbeit ohne Arbeitserlaubnis, unsichtbare Care-Arbeit und antifaschistischer Kampf“, heißt es in der Begründung.
Über Irma Mečević
Irma Mečević, 1992 im ehemaligen Jugoslawien geboren, studierte Politikwissenschaften in Köln und Guadalajara, außerdem Mediale Künste mit Fokus auf literarischem Schreiben an der Kölner Kunsthochschule für Medien. Ihre Texte und Essays sind u.a. veröffentlicht in Zarte Horizontale, zwischentext und das Narr. Sie schreibt an ihrem Romandebüt.
Romanentwurf von Mario Schemmerl: Psychische Überlastung im Pflegeheim
Mit seinem Text „Der Sonnenhof“ führt Mario Schemmerl die Leser*innen direkt an das Pflegebett. Sie sind dabei, wenn Essen gereicht wird, wenn es um die hygienische Versorgung der Bewohner*innen geht, und erleben einen Suizid im Pflegeheim. Die Jury begründet ihre Entscheidung für seinen Text so: „Schemmerl öffnet eine Welt, die gerne in die hintersten Ecken des gesellschaftlichen Bewusstseins gesteckt wird. Dies macht er in einem Ton, der klar und direkt, zeitgleich sehr empathisch und voll mit feinsten Detailbeobachtungen ist“.
Über Mario Schemmerl
Mario Schemmerl, geboren 1987 in Graz, erlernte einen handwerklichen Beruf, seit 2009 arbeitet er in der Pflege. Er veröffentlichte in zahlreichen Zeitschriften, u.a. Lichtungen, Die Rampe, Litrobona. Er ist Kolumnist in der Grazer Straßenzeitung Megaphon und war Finalist beim 31. open mike. Für sein derzeitiges Romanprojekt bekam er mehrere Stipendien. Er erhielt den Literaturförderpreis der Stadt Graz 2024. In diesem Jahr ist er Stadtschreiber in Schwaz/Tirol.
Die Jury
Bei der Jury dabei waren Yasemin Altınay (Verlegerin, Berlin), Domenico Müllensiefen (Schriftsteller, Leipzig) und Prof. Dr. Kevin Drews (Literaturwissenschaftler, Lüneburg).
Beteiligung und eingereichte Texte
Ob prekär beschäftigte Fahrradkuriere, die tägliche Sorgearbeit, Konflikte in der Klassengesellschaft oder Auswüchse des digitalen Plattform-Kapitalismus: Seit einigen Jahren ist Arbeit in all ihren Facetten eines der wichtigsten Themen, auch in der Literatur. Das zeigt sich in der Menge der eingegangenen Bewerbungen für die diesjährigen Arbeitsstipendien des Fritz-Hüser-Instituts: Über neunzig deutschsprachige Autor*innen hatten ihr Exposé und Arbeitsproben eingereicht.
Neben Auszügen aus Romanen und Erzählungen erreichten das Institut auch Theaterstücke und Essays, ebenso Graphic Novels und Gedichte. Zentrale Kriterien für die Vergabe der Stipendien waren die literarische Qualität sowie eine innovative Auseinandersetzung mit Phänomenen der Arbeitswelt. Das meint nicht nur klassische Erwerbsarbeit, sondern schließt etwa auch Bereiche prekärer oder unentlohnter Arbeit ein.
Auch im kommenden Jahr wird das Fritz-Hüser-Institut zwei Arbeitsstipendien ausschreiben.