Archäologische Funde am Burgtor geben neue Einblicke in Dortmunds mittelalterliche Geschichte

Archäologische Funde bei den Bauarbeiten zum Quartier Burgtor: das Profil eines der beiden gemauerten Schächte (Blickrichtung Westen).
© EggensteinExca / Jan Feldmann

Bei den Bauarbeiten für das neue „Quartier Burgtor“ sind bei einer archäologischen Baubegleitung bedeutende Funde aus dem Mittelalter ans Licht gekommen. Derzeit werden die Funde ausgewertet.

Aufgrund der Nähe zur mittelalterlichen Stadtbefestigung und dem Stadtkern hatte die Untere Denkmalbehörde der Stadt Dortmund eine archäologische Begleitung der Arbeiten für das neue Quartier angeordnet. Für die Feldarbeit im Mai und Juni war die Fachfirma EggensteinExca zuständig, deren Ausgrabungen von der Denkmalbehörde eng betreut und überwacht wurden. Wenn die Zufahrt zur Baugrube später entfernt werden kann, werden die Archäologen auch dieses Gelände untersuchen.

Das Quartier Burgtor entsteht

Die LINIM-Gruppe hat mit dem Projekt „Quartier Burgtor“ ambitionierte Pläne für das Areal zwischen Münsterstraße, Steinstraße und Leopoldstraße: Über 18.000 Quadratmeter Mietfläche und eine dreigeschossige Tiefgarage sollen entstehen. Ein Nutzungsmix, der Wohnen, Arbeiten und Nahversorgung intelligent kombiniert, ist vorgesehen. Ein markanter Hochpunkt mit 18 Geschossen am nördlichen Eingang zur City mit angrenzender Blockrandbebauung. Ein begrünter Innenhof über dem Erdgeschoss mit einem Lebensmittelgeschäft fungiert als grüne Oase. Die rote Backsteinfassade fügt sich harmonisch in die gewachsene Umgebung ein.

Zentraler Baustein des Projekts ist der Einzug der neuen Polizeiwache Nord. Die Dortmunder Polizei wird rund 2.800 Quadratmeter Fläche beziehen und damit moderne, barrierefreie Arbeitsbedingungen für über 30.000 Einsätze jährlich schaffen. Neben der Polizei und dem Nahversorger sollen betreutes Wohnen, ein Hotel, klassisches Gewerbe und Mietwohnungen mit Weitblick über das Ruhrgebiet realisiert werden. Die Mieten werden je nach Ausbauaufwand und Nutzungskonzept kalkuliert.

Das Hochhaus an dieser Stelle ist als Option von der Stadt schon länger festgelegt. Das City-Konzept 2030 hebt die Einmündungen der auf den Wall treffenden Straßen als Stadttore besonders hervor. Mit Hochhäusern sollen sie akzentuiert werden, sodass ein Ordnungs- und Orientierungssystem entsteht. Die baulichen „Eingangstore“ nehmen Bezug auf die historischen Tore der Stadtmauer und bilden die Silhouette des Zentrums als „City-Krone“ aus. Als Pendant könnte auf der Südseite des Burgtors eines Tages ein weiteres Hochhaus entstehen.

Spuren des Mittelalters unter der Nachkriegsbebauung

Obwohl das Baugrundstück in den letzten Jahrhunderten dicht überprägt und durch vielzählige Bauaktivitäten der letzten Jahrzehnte verändert worden ist, ließen sich an mehreren Stellen noch mittelalterliche Strukturen nachweisen. Besonders die entdeckte Keramik aus dem Rheinland hat die Archäolog*innen gefreut. Diese hochwertigen Gefäße unterstreichen erneut die gehobene Stellung Dortmunds im Mittelalter und ihre Bedeutung als Reichs- und Hansestadt mit weiträumigen Handelsbeziehungen.

Darüber hinaus kamen ein bogenförmiger Graben sowie mehrere Gruben zum Vorschein. Anhand des Keramikmaterials lassen sich diese Funde in das 11. bis 14. Jahrhundert datieren. Damit eröffnen sie eine spannende Perspektive auf die Siedlungsgeschichte im Norden Dortmunds: Möglicherweise handelt es sich um Spuren einer Besiedlung, die bereits vor dem Bau der Stadtbefestigung bestanden hat. „Wir wissen bislang noch nicht allzu viel über die frühe Phase der Stadtwerdung Dortmunds. Solche Funde sind daher ein wichtiger Baustein, um diese Entwicklung künftig besser nachvollziehen zu können“, erklärt Stadtarchäologe Jan Rosbeck von der Unteren Denkmalbehörde Dortmund.

Für besondere Aufmerksamkeit sorgten zudem zwei sorgfältig gemauerte Schächte, von denen einer aus Bruchstein und einer aus Ziegeln errichtet wurde. Zunächst als Brunnen interpretiert, stellte sich bei der Dokumentation schnell heraus, dass es sich um etwas anderes handeln muss. Worum genau es sich handelt, ist bislang gänzlich unklar.

Bau-Archäologie kann später auch den Neubau aufwerten

„Die Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass auch in stark überprägten Bereichen noch bedeutende archäologische Befunde erhalten sein können. Gerade hier im Norden der Stadt lagen uns bislang nur wenige Nachweise aus dem Mittelalter vor. Die neuen Funde erweitern unser Wissen erheblich“, ergänzt Stadtarchäologe Tobias Zacharias.

Die Ausgrabungen wurden mit 3-Scans gesichert und fotografisch dokumentiert. Die ausgegrabenen Gegenstände wie Keramiken und Scherben wurden gesichert. Weil der Neubau bis weit in die Tiefe des Bodens reicht, können die anderen Funde aber nicht erhalten werden. Inzwischen haben die Bagger das Gelände wieder übernommen und es wird weiter ausgebuddelt, damit anschließend die ersten zwei Bauabschnitte realisiert werden können. Der geschichtsträchtige Ort kann später zur Adressbildung des Neubaus beitragen.

Die Untere Denkmalbehörde hebt die gute Zusammenarbeit mit der Fachfirma EggensteinExca und der Grabungsleitung hervor: Nur durch das enge Zusammenspiel von Bauherrn, Fachfirma und Behörde konnte eine sorgfältige Dokumentation der Befunde sichergestellt werden. Die Ergebnisse werden derzeit noch ausgewertet und archiviert. Fest steht aber, dass sie einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der mittelalterlichen Stadtentwicklung Dortmunds leisten werden.

Standort des „Studio X“ jetzt bereit für eine neue Geschichte

Übrigens: Die Denkmalbehörde hat sich vor dem Abriss des alten Gebäudebestands, der Platz gemacht hat für das neue Quartier Burgtor auch nochmal das „Studio X“ angesehen. Das Studio X war über lange Jahre Dortmunds berühmtestes Pornokino und ist somit auch ein Teil der Dortmunder Stadtgeschichte. Die Denkmalbehörde hatte das Ziel, gegebenenfalls Einzelteile des Interieurs zu sichern, um sie später auszustellen. Das Studio X wurde in den 1970er Jahren Nachfolger des Deccla-Kino, später Europa-Palast, das nach dem Zweiten Weltkrieg dort entstand. Seit 2017 stand das Pornokino leer.

Wer sich für das Studio X interessiert, kann das Kino virtuell noch einmal aufleben lassen. Vor dem Abriss hat sich der Dortmunder Fotokünstler Hendrik Müller ein Bild vor Ort gemacht und einen virtuellen Rundgang durch die Räumlichkeiten erstellt. Als Titel des Rundgangs hat sich der Künstler für ein Zitat von Oscar Wilde entschieden: „StudioX oder ‚Die Moral ist immer die letzte Zuflucht der Leute, welche die Schönheit nicht begreifen.‘”: Projekt Deccla / Studio-X | Virtual tour generated by Panotour

Auch eine Ausstellung zum Studio X gab es bereits, unterstützt durch das Kulturbüro. Sie war von Mitte Dezember 2024 bis Mitte Januar 2025 in der Hansastaße (HANS A) zu sehen. Konzipiert hatten die Ausstellung die Künstler*innen Silvia Liebig, Achim Zerpezauer und Hendrik Müller, auch der Dortmunder Sprechchor wirkte mit.