Werbung nicht nur für musikalische Koexistenz: Die Gruppe “Kavpersaz”
„Wir wollen bei unserer ‚Musik im Amtshaus‘ auch mal neue Wege beschreiten. Da müssen wir auch in Kauf nehmen, dass das, was wir bieten, nicht allen gefällt.“, betonte Michael Konrad vom Bezirksmarketing Mengede als Veranstalter. Was zunächst als Risiko erschien, erwies sich schließlich als voller Erfolg.
Zum letzten Konzert in dieser Saison hatte die künstlerische Leiterin Elisabeth Sedlack-Zeidler die Formation „Kavpersaz“ eingeladen, eine Formation aus vier Solisten, die mit Weltmusik aus türkischen, kurdischen und armenischen Weisen Lieder aus ihrer ursprünglichen Heimat präsentierte. Kennengelernt hatte sie die Gruppe beim Wettbewerb „Creole NRW“ im „Domicil“ im Jahre 2010, wo diese zum ersten Mal gemeinsam spielten und gleich einen Preis holten.
Was sie sie spielten, ließ die Zuhörer am Samstagabend im gut gefüllten Amtshaus zunächst aufhorchen und dann immer wieder mit begeistertem Applaus zustimmen.
Da war die Instrumentierung, die für unsere Ohren ungewöhnlich Klangerlebnisse bot. Yasin Boyraz brillierte auf dem Kaval, der armenischen Hirtenflöte, von denen er in unterschiedlichen Längen und Tonarten gleich mehrere Exemplare mitgebracht hatte. Fethi Ak beherrschte meisterhaft die Percussion-Instrumente, wie kurdischen Rahmentrommel „Erbane“ und die Vasentrommel „Darbuka“. Meister auf ihren Instrumenten waren auch Baris Boyraz auf der Gitarre und der großen Trommel „Davul“ und Umut Yilmaz auf der Saz, der Langhalslaute. Yilmaz gab den Zuhörern in seiner Moderation auch viele Informationen zu den einzelnen Titeln. Alle vier bestachen nicht nur durch ihr musikalisches Können sondern auch durch ihre sympathische Ausstrahlung.
In ihrer Musik verbanden die Musiker Werke aus kollektiver Überlieferung mit neuen Elementen. Es begann mit zwei Weisen aus Armenien, wobei Abraran im schnellen 14/8 Takt das erklärte Lieblingsstück der Gruppe ist. Die musikalische Reise führte, mal langsam, mal schnell, von Armenien über Anatolien bis in die Millionenstadt Istanbul. Zwischendurch gab es Ausflüge zum Barbier von Sevilla, in die Welt der Legenden mit dem „Schwarzen Schaf“ und zu den mal lebensfrohen, mal melancholischen Volkstänzen. Echte Hinhörer waren die Stücke „Gorani“, „Kara Koyun“ (das besagte schwarze Schaf) und „Karma“.
Bei Gorani kam die winzige „Shwi“, die armenische Hirtenflöte zum Einsatz, die dem Lied meditative Züge verlieh. „Kara Koyun“ wurde mit einem großen Kaval intoniert, der dem Solisten Yasin viel abverlangte. Während des pausenlosen Spielens musste er unbemerkt durch die Nase einatmen, was beim Zuhörer den Eindruck vermittelte, er würde vier Minuten nicht atmen. „Karma“ war eine Eigenkomposition, heißt auf Deutsch „gemischt“ und war so etwas wie eine Visitenkarte der Gruppe. Bei allen Stücken verzichteten die Musiker bewusst auf die dazugehörigen Texte, um den Gefühlen und der Phantasie der Zuhörer freien Raum zu lassen.
Besonders eindrucksvoll demonstrierten sie mit Schillers „Odo an die Freude“ aus Beethovens „9. Symphonie“ die unterschiedlichen Musikempfindungen, führten vor, wie das Werk in Armenien oder Anatolien klingt. Dann durften die Zuhörer das Original mitsingen: „Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt.“ Was Schiller der Freude zugeschrieben hat, zeigt sich ganz bestimmt auch bei der Musik: Mengede erwies sich wieder mal als weltoffen, diesmal musikalisch.