Die „letzten Mohikaner”: immer noch top fit
Im letzten Jahr hat MENGEDE:InTakt! über den Brieftaubensport allgemein und im Besonderen in Mengede berichtet und dabei drei Züchter vorgestellt, die sich – jeder für sich – inzwischen gefühlte 80 Jahre ihrem Hobby verschrieben haben: Siegfried Zink, Winfried Vedder und Friedhelm Bleibtreu. Wir haben sie durch die letzte Saison begleitet und dabei ihr Hobby etwas näher vorgestellt.(Vergl. MENGEDE:In Takt! „Die letzten Mohikaner“). Zu Beginn der neuen Saison beschließen wir die Serie mit einer kleinen Nachbetrachtung.
Wer meint, nach Abschluss einer Flugsaison – vom Herbst bis zum Frühjahr – sei eine ruhige Winterpause für die Züchter angesagt, der irrt gewaltig. Zwar werden die Tauben nicht mehr geschickt und alles geht etwas stressfreier, aber an der täglich anfallenden Betreuungsarbeit für die Tauben im Schlag hat sich nicht viel geändert. Die Tiere wollen weiterhin versorgt werden, d.h. Füttern, Reinigung des Schlages sind Arbeiten, die nach wie vor regelmäßig erledigt werden müssen. Denn alle drei Züchter sind überzeugt: Durch eine sorgfältige Betreuung werden auch die Grundlagen für ein erfolgreiches Abschneiden der Tauben bei den nächstjährigen Wettflügen gelegt.
Man weiß bis heute noch nicht, wie die Tauben den Weg zu sich nach Hause finden. Wissenschaftliche Untersuchungen lassen die Vermutung zu, dass die Tauben zunächst einmal den Stand der Sonne, das Magnetfeld der Erde sowie optische Gegebenheiten als Orientierung verwenden. Zusätzlich zu diesen Orientierungsmerkmalen kommt sicher auch die Liebe zum Nestpartner hinzu. Was ganz wichtig ist und in dieser Frage sind sich jedenfalls alle drei Mengeder Züchter einig – das Wohlbefinden der Tauben – die „Schlagliebe“ – spielt ebenfalls eine nicht zu unterschätzende Rolle für den Erfolg bei den Wettflügen. Der Schlag muss optimal auf die Anzahl der Tauben abgestimmt sein, ebenso muss die Fütterung optimal auf die Bedürfnisse der Tauben ausgerichtet und auf die jeweilige Jahreszeit abgestimmt sein. Anders formuliert: Wenn die Tiere sich nicht wohlfühlen in ihrer Umgebung, dann bräuchte man sie eigentlich erst gar nicht loszuschicken.
Jeder der drei „Taubenkasper“ hat dabei seine seine eigene Methode, aber alle drei versuchen immer wieder, an diesen „weichen“ Faktoren zu tüfteln und zu experimentieren. Dazu gehört dann auch die Überlegung, zu welchem Zeitpunkt nach der Wettkampfsaison mit der Zucht des Nachwuchses begonnen wird, welche Vögel mit welchem Weibchen zusammengebracht werden sollen, wann wird mit den ersten Trainingsflügen begonnen. Eine Vielzahl von Überlegungen ist anzustellen, von denen sich der Laie zunächst einmal keine Vorstellung macht.
Doch auch die beste Vorbereitung kann völlig umsonst gewesen sein, wenn die Tiere zu Beginn oder während der Wettflüge plötzlich erkranken. Eine leichte Erkältung, die sich dadurch andeutet, dass die Tauben nicht mehr fressen wollen oder lustlos herumsitzen, versetzt jeden Züchter in höchste Alarmbereitschaft. Wenn eine solche Erkrankung die Tauben heimsucht, dann ist die gesamte Saisonvorbereitung umsonst gewesen. Das weiß jeder Züchter, und deswegen beobachtet jeder die Tiere auch sehr genau. Es ist natürlich nur ein kleiner Schritt von einer zulässigen medizinischen Versorgung bzw. Vorsorge bis zu einem unzulässigen Doping. Doping kommt für alle drei Mengeder Züchter aber nicht infrage.
Vor dem Hintergrund all dieser möglichen Komplikationen wissen Friedhelm Bleibtreu und sein Partner Manfred Podscharly auch sehr wohl, dass zu ihren unbestritten schnellen Tauben in der letzten Saison auch eine Menge glücklicher Umstände hinzugekommen sind, um so eine selten hervorragende Saison fliegen zu können. (vgl. hierzu die beigefügte Abbildung)
Befragt, was sich die „Mohikaner“ im Zusammenhang mit ihrem Sport wünschen, erklären alle drei übereinstimmend, sie möchten gesund und möglichst lange fit bleiben, um die tägliche Betreuung ihrer Tauben gewährleisten zu können. Der inzwischen 80-jährige Siegfried Zink gibt zu, es falle ihm schon manchmal schwer, sich jeden Tag, egal ob Feiertag oder Alltag, ob es stürmt oder schneit oder die Sonne scheint, mit der erforderlichen Gründlichkeit um seine Tiere zu kümmern. Wenn er die Tauben aus seinem Schlag für Trainingsflügge in die Taubenkörbe umladen muss, kommt er ohne die Hilfe seiner Frau nicht mehr aus. Der Jüngste, Winfried Vedder, überlegt auch schon, den Schlag, auf dem seine Zuchttauben derzeit untergebracht sind, ebenerdig zu verlegen, damit er nicht jeden Tag mehrmals 15 Stufen überwinden und in den Schlag krabbeln muss. Darüber kann Friedhelm Bleibtreu nur milde lächeln. Er nämlich muss Tag für Tag 85 Stufen überwinden, um auf seinen Taubenschlag im Dachgeschoss zu kommen. Dabei nimmt er dann zwei Eimer Taubenfutter mit nach oben. Ohne seinen Partner Manfred wäre das aber nicht zu schaffen, das weiß er. Allerdings lehnt er alle Ratschläge ab, sich technisch zum Beispiel durch einen Flaschenzug unterstützen zu lassen. „Wenn ich die Futtereimer nicht mehr hochtragen kann, höre ich auf“, meint er – starrsinnig wie er manchmal ist. „Und was passiert dann?“ ist man geneigt ihn zu fragen.
Aber bis dahin ist ja noch Zeit, zumal klar sein dürfte: Wer so lange als Taubenzüchter Höhen und Tiefen durchlebt und durchlitten hat, dem muss es schon ganz elend gehen, bevor seinen Schlag endgültig aufgibt.
Alle drei erwähnen ja – wenn sie über ihre Tauben sprechen – die Faszination, die dieses Hobby auf sie ausgeübt hat und noch ausübt. Es ist nicht nur die Spannung vor der Heimkehr von Wettflügen, bei der zunächst die Frage im Vordergrund steht, ob alle Tiere unversehrt wieder im Schlag angekommen sind. Es ist die unbedingte Vertrautheit des Züchters mit jedem einzelnen Tier.
Das kann wohl niemand so richtig nachempfinden, der nicht selbst mal Taubenzüchter gewesen ist.