“Wir ersticken in Bürokratie”

Bezirksvertretung Mengede: Die Fraktion DIE LINKE & PIRATEN tauschen den Vorsitz

Die Fraktion Die Linke & PIRATEN besteht aus zwei Mitgliedern: Tim Lichte von der Partei Die Linke und Dieter McDevitt von der Partei Piraten.
Das ist für beide zu wenig, um einen Fraktionsstatus zu erlangen.

Also beschloss man zu Beginn der Legislaturperiode, eine gemeinsame Fraktion zu bilden. Weiterhin beschlossen die beiden bei der Fraktionsgründung, den Fraktionsvorsitz jährlich zu wechseln. Es begann Tim Lichte, danach war Dieter McDevitt an der Reihe und ab Anfang September 2016 ist nun wieder Tim Lichte Fraktionsvorsitzender. MENGEDE:InTakt! befragte die beiden.

MIT!: Herr Lichte, Herr McDevitt – Wie funktioniert eigentlich die Zusammenarbeit zwischen Ihnen beiden?

Lichte, Tim, Die Linke, Bezirksvertretung Mengede

Tim Lichte

T.L.: Wir haben schon bei der Fraktionsgründung beschlossen, dass wir den Fraktionsvorsitz im jährlichen Rhythmus wechseln werden. Im ersten Jahr hatte ich den Vorsitz, anschließend hat Dieter McDevitt übernommen – und nun war ich wieder an der Reihe. Das ist eigentlich ganz normal
D.M.: Genau. Unsere Fraktion besteht ja aus Mitgliedern von zwei Parteien, und es ist unser gemeinsames demokratisches Grundverständnis, dass wir uns dann hinsichtlich des Vorsitzes abwechseln. Das war für uns beide von vornherein klar.

McDevitt, Dieter; Piraten, Bezirksvertretung Mengede

Dieter McDevitt

Zusatzfrage: Formale Regelungen sollten eigentlich auch kein Problem sein, aber wie funktioniert die inhaltliche Zusammenarbeit. Hat sie sich nach zwei Jahren bewährt oder gab es Reibungspunkte, die Sie vorher nicht erwartet hatten?

T. L.: Die Zusammenarbeit funktioniert meines Erachtens nach sehr gut. Bzgl. unserer Schwerpunkte in Mengede herrschte von vornherein weitgehende Einigkeit – sonst wären wir ja auch nie eine Fraktion geworden. Es wäre für uns beide aber auch kein Problem, wenn wir mal bei einem Sachverhalt unterschiedlicher Ansicht wären. Dann würden wir da halt in der BV unterschiedlich abstimmen – Fraktionszwang kennen wir nicht.

D.M.: Natürlich gibt es Unterschiede in den Parteien, aber das spielt auf der Ebene der Bezirksvertretung keine Rolle. Wir haben uns auf Schwerpunkte geeinigt und da sind unsere Meinung fast deckungsgleich. Einen Fraktionszwang wäre mit einem Piraten auch nur schwer zu machen.

MIT!: Kommen wir zu Ihren kommunalpolitischen Aktivitäten. Welche Probleme sehe Sie beide im Stadtbezirk Mengede?

D.M.: Mengede hat im Bereich der Kinderbetreuung noch deutlichen Nachholbedarf, insbesondere im Bereich der U3-Betreuung. Hier müssen wir ran. In der letzten BV-Sitzung haben wir die Änderung zweier Bebauungspläne auf den Weg gebracht, mit dem Ziel, in den betroffenen Bereichen – Dörwerstraße und Wodanstraße – Tageseinrichtungen für Kinder errichten zu können.

T.L.: Beide Abstimmungen waren übrigens fraktionsübergreifend einstimmig. Dies sind jetzt zwei Beispiele für die im Allgemeinen sehr gute Zusammenarbeit der demokratischen Mitglieder der BV. In anderen Bezirken klappt das oft nicht so gut. Traurig ist aber, dass – obwohl die Politik in Mengede an einem Strang zieht – die Wahlbeteiligung hier extrem gering ist. Bei der Kommunalwahl 2014 lag die Wahlbeteiligung in Mengede mit 38,6 % noch unter dem Dortmunder Durchschnittswert von 44,9 %. Das ist auch ein Problem, an dem wir gemeinsam arbeiten wollen.

MIT!: Gibt es weitere Themenbereiche, denen Sie sich in nächster Zukunft widmen wollen?

T.L.: Ein Schwerpunkt wird auf der Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur im Stadtbezirk liegen, hier insbesondere die Themen Radverkehr und ÖPNV. Wir haben in den letzten Monaten hier schon einige Anfragen und Anträge eingebracht, und wir werden das auch weiterhin tun.

MIT!: Es ist ein Phänomen: Die Bezirksvertretung Mengede insgesamt und die einzelnen Fraktionen leisten gute Arbeit. Aber irgendwie hat man das Gefühl, die Menschen im Stadtbezirk interessieren sich recht wenig für die Dinge, die in der BV erörtert werden.

D.M.: Der Analyse stimmen wir zu, und wir haben hierzu schon einige Ideen. Beispielsweise wurde unser Antrag beschlossen, in der Bezirksverwaltungsstelle Werbung für die BV-Sitzungen zu machen. Das ist schon einmal ein kleiner Anfang. Wir wollen aber vor allem durch mehr Transparenz für eine größere Öffentlichkeit der politischen Arbeit sorgen.

T.L.: Stichwort Transparenz: Eine Idee, die wir haben, um für mehr Aufmerksamkeit in der Mengeder Bevölkerung zu sorgen, ist eine öffentliche Fraktionssitzung. Wie wir das konkret umsetzen werden, besprechen wir gerade.

D.M.: Eine weitere Idee ist die Nutzung von „openantrag“. Einwohner können hier Ideen einbringen, die wir dann gerne mit in die BV-Sitzungen tragen.

MIT!: Die Bürger haben den Eindruck, die örtliche Politik habe – zumindest in der Bezirksvertretung – keinerlei Einfluss auf Entscheidungen, die den Stadtbezirk Mengede betreffen. Anfragen der Bezirksvertretung werden meist schleppend oder gar nicht beantwortet. Wendet sich der Bürger direkt an die Verwaltung in Dortmund, hat er häufig zurecht das Gefühl, er werde als lästiger Bittsteller betrachtet.

T. L. : Ich kann hier die Einschätzung der Mengeder Einwohner durchaus nachvollziehen. Die meisten „größeren“ Entscheidungen liegen in der Verantwortung des Rates, als Bezirksvertreter haben wir hier nur eine beratende Stimme. Auch die Haushaltssituation macht es nicht besser. Ideen für den Stadtbezirk gibt es viele, leider wird die BV nicht mit den Mitteln ausgestattet diese umzusetzen. Das ist dann auch für uns frustrierend – nichtsdestotrotz wollen wir natürlich die uns zur Verfügung stehenden Möglichekiten voll ausnutzen, um eine positive Entwicklung des Stadtbezirks voranzutreiben.

D.M.: Auch wenn ich mir jetzt wenig Freunde mache – wir haben ein massives Verwaltungsproblem. Das hat weder etwas mit den Mitarbeitern noch etwas mit Dortmund zu tun. Wir ersticken in Bürokratie, aber aufgrund der sehr verfestigten politischen Strukturen im Ruhrgebiet sehe ich auch keinen Willen dies zu ändern.
Als Unternehmensberater kenne ich viele Verwaltungen großer Unternehmen. Hätten die nur annähernd solche Strukturen wie die öffentlichen Verwaltungen, dann wären die in kurzer Zeit pleite. Aber das soll keine Entschuldigung für Bürger sein sich nicht einzumischen und zu engagieren.
 Wir sollten hier im Nordwesten (der Bezirk Mengede ist mehr als nur Mengede) mit mehr Selbstbewusstsein auftreten und uns nicht im klein klein verlieren.

MIT! Das Projekt Nordwärts beschäftigt die Politik ja im Moment auch. Nur eine Luftnummer – oder gibt es aus Ihrer Sicht reale Entwicklungsmöglichkeiten für den Dortmunder Nordwesten?

T.L.: Das Projekt ist im letzten Jahr angelaufen. Eine der ersten Maßnahmen waren offene Bürgerforen, in denen sich die Bevölkerung einbringen konnte. Das war ein guter Start – für Mengede sind einige sehr gute Ideen von den Einwohnern gekommen. Die Rückkoppelung von der Verwaltung – was passiert nun mit den Ideen – fehlt uns allerdings noch. Das ist aber wichtig, da das Projekt über mehrere Jahre angelegt ist und die Bevölkerung über den gesamten Zeitraum mitgenommen werden soll – dafür braucht es auch Teilhabe am Informationsfluss, und zwar nach dem push-Prinzip, d.h. die Bevölkerung muss in das Vorhaben und seine Entwicklung ernsthaft eingebunden werden.

D.M.: Als BV-Mitglieder bekommen wir immer wieder mal neue Informationen und Zwischenstände. Die Kommunikation in Richtung der Bevölkerung ist aber noch ausbaufähig. Bei den nächsten Foren sollte darüber hinaus auch eine direktere Ansprache in Richtung der Einwohner erfolgen, die einen Migrationshintergrund haben. Diese stellen einen bedeutenden Teil der Bevölkerung des Stadtbezirks, waren aber beim ersten Bürgerforum unterrepräsentiert.

Das Interview führte K. Neuvians

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