Buchempfehlung – Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen

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Ulrike Herrmann: Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen

Ulrike Herrmann ist Wirtschaftskorrespondentin der taz. Mit dem im letzten Jahr im Westend-Verlag erschienen Buch „Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen“ ist ihr eine ausgesprochen spannende und lesenswerte Wirtschaftsgeschichte  der Bundesrepublik gelungen. Und zusätzlich nicht weniger spannend  die  Einblicke in die  internationale Finanz- und Wirtschaftspolitik.

Wer den Klappentext liest, denkt vermutlich für sich: Ist doch etwas dick, denn in Kurzfassung werden hier bereits die Inhalte stichwortartig angesprochen.  Man mag es zunächst als übertrieben empfinden, wenn es dort unter der Überschrift  „Schluss mit den Märchen und Mythen“ heißt:

Deutschland ist reich, aber die gängigen Erklärungen sind falsch. So soll Ludwig Erhard der „Vater“ des Wirtschaftswunders gewesen sein – in Wahrheit war er ein unfähiger Ökonom, ein Profiteur im Dritten Reich und ein Lügner. Die Bundesbank war angeblich die unbestechliche „Hüterin der D-Mark“ – tatsächlich hat sie Millionen in die Arbeitslosigkeit geschickt und die deutsche Einheit fast ruiniert. „Soziale Marktwirtschaft“ klingt nach sozialem Ausgleich, doch begünstigt werden die Reichen. Auch die permanenten Exportüberschüsse haben Deutschland nicht voran gebracht, sondern geschadet. Umgekehrt werden echte Erfolge nicht gesehen: Die Wiedervereinigung war angeblich wahnsinnig teuer. Tatsächlich hat sie keinen einzigen Cent gekostet. Es ist Zeit, sich von den Legenden zu verabschieden. Sonst verpassen wir unsere Zukunft.

Schein und Sein klaffen in der jüngsten Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik weit  auseinander; dieser Befund wird in dem Buch nicht einfach nur behauptet, sondern an Hand  umfassender Quellen nahvollziehbar belegt.

Das Buch enthält volle Breitseiten nicht nur gegen den „Vater“ des deutschen Wirtschaftswunders, die Deutsche Bundesbank kommt auch nicht besser weg und das Märchen von der sozialen Marktwirtschaft kann künftig eigentlich nicht mehr als politisches Argument verwendet werden. Es werden sich die LeserInnen bei der Lektüre dieses Buches an manchen Stellen fragen, warum hat eine Mehrheit klaglos mitgemacht und dies alles durchgehen lassen. Sind wir dumm 0der ahnungslos gewesen oder beides?

Der Autorin liegt es nicht zu kapitulieren. Auch deswegen setzt sie sich im abschließenden Kapitel kritisch mit den Möglichkeiten auseinander, die der Gesellschaft heute bleiben. Markt und Natur lassen sich nach ihrer Überzeugung allenfalls gedanklich versöhnen, Die Frage, ob Wachstum und Ökologie tatsächlich ein Widerspruch seien, antwortet sie eindeutig : Ja.
Dies bedeutet nach Auffassung der Autorin, alle Kraft in die Entwicklung eines umweltverträglichen Wirtschaftsmodells zu stecken. Die politische Debatte sei bisher so weit noch nicht vorgestoßen. Das würde  nicht ohne Schmerzen abgehen und würde vor allem und als  erstes bedeuten, das Märchen von der sozialen Marktwirtschaft als Märchen zu entlarven und zu akzeptieren..

Diese politische Debatte hält sie für überfällig. Allerdings weist sie daraufhin, dass in der Geschichte der Bundesrepublik nur zweimal bewusst Wirtschaftspolitik betrieben worden sei, und  – dies stimme ein wenig hoffnungsvoll – in beiden Fällen sei sie richtig gewesen. Das war, als Adenauer  nicht auf Erhard gehört habe, als er sich für Europa entschied. Und es war, als Kohl die Bundesbank ignorierte, als er die deutsche Währungsunion forcierte.
Fazit für die Autorin:
“Diese Beispiele sollten Mut machen, die ökologische Wende ernsthaft anzugehen. Politik lohnt sich.” 

Ulrike Herrmann arbeitet als Wirtschaftskorrespondentin bei der “tageszeitung” (taz). Zudem ist sie regelmäßiger Gast im Radio und im Fernsehen. Herrmann ist ausgebildete Bankkauffrau und hat an der FU Berlin Geschichte und Philosophie studiert. Zuletzt erschienen im Westend Verlag ihre Bestseller “Hurra, wir dürfen zahlen” (2010), “Der Sieg des Kapitals” (2013) sowie “Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung” (2016).

Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind.
Westend Verlag; 320 Seiten; 24 Euro.

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