Theorie und Praxis – Eine Kolumne von Cawi Schmälter

„Die Hauptsache ist, dass es fertig werde!“ 

Der eine wollte die Einkommensteuer-Erklärung auf dem Bierdeckel erledigen. Er wurde bisher nicht gewählt. Nun muss der brave Steuer-Bürger sich weiterhin mit Satz-Ungetümen herumschlagen, immer in der Sorge, etwas falsch zu machen und als elender Steuer-Betrüger von seinen Mitmenschen geächtet zu werden.

Beispielhaft der Wortlaut einer Erklärung der Inhalte einer Bescheinigung „über den Rentenbezug zur Übermittlung an die Landesfinanzbehörden im Rentenbezugsmitteilungsverfahren“.
Schon das Wort „Rentenbezugsmitteilungsverfahren“ ist geeignet, dem hilflosen Formular-Ausfüller Pusteln der Verzweiflung auf die Stirn zu treiben:

Die abgekürzte Leibrente unterliegt der Besteuerung mit dem Ertragsanteil (§22 Nummer 5 Satz 2 Buchstabe a EStG, in Verbindung mit § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG, bei einem Rentenbeginn vor dem 1. Januar 1955 in Verbindung mit § 55 Absatz 1 Nummer 1 EStDV). Der Ertragsanteil ergibt sich aus der Tabelle in § § 55 Absatz 2 EStDV (bei einem Rentenbeginn vor dem 1.Januar 1955 in Verbindung mit § 55 Absatz 1 Nummer 1 EStDV.
Kein Witz, nur ein Beispiel von vielen, wer es nicht glaubt, hier der Beweis:

Ganz typisch für den überbordenden Bürokratismus in unserem Land. Während die Finanzbehörden beim sogenannten „Dividendenstripping“ im Cum-Ex-Verfahren machtlos den Steuerbetrug bei der „Kapital-Ertragssteuer“ in Millionenhöhe hinnehmen müssen, agieren sie an anderen Stellen umso penibler, und das nicht nur bei den Mini-Renten.

Hoffen wir, dass bei der nun anlaufenden Covid-19-Massenimpfung nicht ebensolche Verordnungs-Konstrukte das Verfahren behindern werden. Erste Zweifel sind angebracht, so zum Beispiel, als in der ersten Phase der Dortmunder Impfaktionen in den Altenheimen die im selben Gebäude untergebrachten Senioren des Betreuten Wohnens ausgeschlossen wurden. 

Gesetze, Verordnungen, amtliche Verfügungen auf der einen Seite, praktisches Handeln auf der anderen Seite. Eine Kernaussage, des Naturwissenschaftlers Johann Friedrich Benzenberg (1777 – 1846), der vor mehr als 200 Jahren als Leiter der Landesvermessung im Herzogtum Berg damals zeitweilig auch für Dortmund zuständig war, bringt es auf den Punkt: „Beim Kataster ist die Hauptsache, dass es fertig werde!“

Diese universell geltende Botschaft erfahren die Geodäsie-Studenten schon im ersten Semester und sie sollte auch heute Maxime allen Handelns sein.

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Auf dem Foto oben rechts ist Johann Friedrich Benzenberg abgebildet. Es handelt sich dabei um die schwarz-weiß-Abbildung eines Gemäldes von Bodo von Hopfgarten, das im Stadtmuseum Düsseldorf ausgehängt ist.

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