Das Objekt des Monats November im Museum für Kunst und Kulturgeschichte (MKK)

MKK; Foto: Archiv MIT

Tafelkultur im Jugendstil: Eine Messerbank in Dackelform ist das Objekt des Monats im MKK

Das Objekt des Monats November im Museum für Kunst und Kulturgeschichte hat Svenja Lehnhardt, wissenschaftliche Volontärin im MKK, ausgesucht und beschrieben. Es ist ein Anfang des 20. Jahrhunderts entstandenes Messerbänkchen aus Zinn in Form eines sich streckenden Kurzhaardackels. Zu finden ist es im Jugendstilraum im 3. Obergeschoss.

Auf dem Rumpf des metallenen Hundes wurde während des Speisens das Messer abgelegt, um das Tafeltuch nicht zu verunreinigen. Der Zinndackel mit dem Prägestempel „Kayserzinn“ auf der Seite war ein Produkt der gleichnamigen Kölner Firma, die um 1900 einzigartige Jugendstil-Zinnobjekte für den alltäglichen Gebrauch fertigte.
Die Ästhetik des Jugendstils ist geprägt von filigranen Formen und geschwungenen Linien, die den Bewegungen der Natur nachempfunden sind. Beliebt waren auch geometrische Muster oder symbolische Figuren. Mit den neuen Formen und der Verwendung edler Materialien war die Kunstrichtung eine Gegenbewegung zu den veralteten Formen des Historismus und der industriellen Massenproduktion.

Erklärtes Ziel des Jugendstils war es, Architektur, Kunst und Kunsthandwerk zu einem Gesamtkunstwerk zu vereinen und Schönheit im Alltag erfahrbar zu machen.
Wegen ihrer faszinierenden Formen oder Musterungen wurden gerne Tiere als Motive in der Kunst des Jugendstils verarbeitet: Beliebt waren Schwäne oder Kraniche, die sich mit ihren wellenförmigen Hälsen in die von der Natur inspirierten Dekorformen einfügten.
Der Dachshund entsprach aufgrund seines langgestreckten, geschwungenen Körpers, der ihn für die Jagd im Fuchs- oder Dachsbau prädestinierte, der Ästhetik des Jugendstils. Der aufmerksame Betrachter findet den Dackel neben Kranichen und pflanzlichen Formen auch als Fassadenschmuck in der Dortmunder Stolzestraße.

Das Messerbänkchen war Bestandteil einer üppigen Tischkultur, die sich mit Beginn der Industrialisierung entwickelt hatte: Die Ausstattung des Speisezimmers wurde um 1900 zum Statussymbol des Bürgertums, das sich die Gepflogenheiten der oberen Gesellschaftsschichten zu eigen machte. Neben dem ästhetischen Anspruch sollte das Geschirr auch funktional sein: Für jedes Konsummittel wurde ein individuelles Utensil erdacht, so dass sich zur Jahrhundertwende eine Fülle an Gerätschaften entwickelt hatte, darunter auch der sogenannte Messerleger Dakl der Firma Kayser.
Die Firma war 1844 als Zinngießerei in Düsseldorf gegründet worden und fertigte Alltagsobjekte, die aufgrund der Flexibilität des Materials in jede künstlerische Form gegossen werden konnten. 1879 siedelte sich die Produktionsstätte der Leuconide-Metallwarenfabrik &-handlung J. P. Kayser Sohn unter der Leitung von Johann Peter Kayser in Krefeld an, während Bruder Engelbert ab 1894 das Kölner Atelier leitete. Dort wurden die künstlerischen Entwürfe geschaffen, die unter dem Namen Kayserzinn zum Verkaufsschlager wurden.
Engelbert Kayser war der erste, der die Ästhetik des Jugendstils in Zinn einfing. Eine von ihm patentierte Legierung, die auf gesundheitsschädliches Blei verzichtete, erzeugte einen hochwertigen, silberähnlichen Glanz. Ziel der Produktion waren schöne Objekte für den alltäglichen Gebrauch, die für jedermann erschwinglich waren.
Das Konzept hatte Erfolg: Die Betriebsgröße stieg rasant an, um 1900 beschäftigte man 800 Mitarbeitende, circa 1000 Modelle wurden gefertigt, darunter Vasen, Leuchter und Tischservice. Engelbert Kayser eröffnete prachtvolle Warenhäuser in Berlin, Frankfurt und Köln. Kayserzinn wurde in Europa und Übersee vertrieben, so dass die seit 1895 eingetragene Marke auch international zum Inbegriff für Jugendstil wurde. Mit dem Tod Engelberts 1911 und dem Anstieg des Zinnpreises war die Erfolgsgeschichte jedoch beendet.
Maßgeblich am Erfolg beteiligt war der an der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule ausgebildete Bildhauer Hugo Leven, der 1895 bis 1904 die stilistische Linie der Firma prägte. Er lieferte die populärsten Entwürfe, darunter vermutlich auch den des kleinen Dackels. Kayserzinn bot außerdem Messerbänkchen in Form eines springenden Hasen, eines Langhaardackels und einer schleichenden Katze an. Noch heute sind sie beliebte Sammlerobjekte.

Quelle: Pressestelle der Stadt Dortmund; Foto: © Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Joana Maibach

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