Rechte Schocker
Von Peter Grohmann
Irgendwo zwischen Altötting, Schrobenhausen und Schongau liegt Oberbayern und der Gebetsort unseres diesmaligen Rechtsbrechers. Genau: in Peißenberg, dort, wo Pechkohle gefördert wurde und die AfD mehr Stimmen bekommt als Grüne und SPD zusammen. Der traditions-geprägte Urlaubsort in der Mitte des Pfaffenwinkels ist der Wahlkreis, der dem heutigen Innenminister alles verzeiht, ob Dieselskandal, europa-rechtswidrige Maut, Elektroschocker oder Prügel für’s Gericht.
Der Rechtsaußen von Friedrich Merz hat eben dafür gesorgt, dass Justiz und Anwaltschaft auch in Deutschland unter Druck geraten. Dobrindt mag daran gedacht haben, dass es bei deutschen Bundesministern immer schon große Vorbilder gab – etwa Hermann Höcherl, der sein NSDAP-Parteibuch vergessen hatte, als er 1961 Bundesinnenmister wurde und mit Recht sagte, dass ein deutscher Beamter nicht den ganzen Tag lang mit dem Grundgesetz unterm Arm rumlaufen könnte, weil sonst die Hose rutscht.
Das wäre dann Dobrindts Kröver Nacktarsch. „Nu ja ja, nu nee nee“, sagt meine Omi Glimbzsch aus Zittau gern – sie kennt ja die Mischpoke.
Fake News und Halbwahrheiten sind der Nährboden für Hetze – aber es muss ja nicht dabei bleiben, frohlocken gewaltbereite Kader. Das Berliner Verwaltungsgericht hat im Fall der drei Somalier Recht gesprochen: Sie können sie nach deutschem und europäischem Recht Asyl beantragen. Wenn nun der Bundesinnenminister abwinkt und sagt, das interessiere ihn nicht, nennt man das gemeinerweise Rechtsbrecherei. Abgesehen davon gehen Grenzbeamte und sie anweisende Minister rechtlich ein Risiko ein, wenn sie die Dobrindt-Praxis fortführen: Die Maßnahmen waren rechtswidrig. Daß die zwei erzkonservativen Herren Dobrindt & Oppermann (Polizeigewerkschaft) das Fragen bzgl. dienst- und strafrechtlicher Sanktionen vom Tische gewischt haben, ist riskant. Wer gibt Nachhilfe? Grenzer könnten sich wegen Nötigung strafbar machen, der Minister und seine Kohorten wegen Verleitung von Untergebenen zu Straftaten.
Was nu‘ die Elektroschocker angeht: Das isn Stich ins Wespennest. In Deutschland gibt’s seit 2021 ganze zehn Todesfälle im Kontext mit dem Taser-Einsatz durch Polizei. 10!
Doch „Das Schlimme ist, dass heute die Welt aus Wespennestern besteht und man das Hineintreten kaum vermeiden kann, wenigstens nicht, wenn es einem ein bisschen um Wahrheit und Gerechtigkeit zu tun ist“, warnte Thomas Mann.
Also aufgepaßt, Dobri: Elektroschockis nie bei Temu koofen und druff kucken, dasse Prüfsiegel vonne Fysikalisch-Technische Bundesanstalt tragen! Woe heißt es so schön ei Ministers? Ein Rechtsbruch ist doch kein Beinbruch, das weiß man sogar in Los Angeles.
Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de