Legaler Diebstahl – Eine Kolumne von Peter Grohmann

Legaler Diebstahl

Von Peter Grohmann

|Manchmal helfen ja auch 5.000 Euro, damit man genauer hinhört. Das Bürgerprojekt Die AnStifter aus Stuttgart hat soeben eine ganz exzellente Wahl getroffen: Anne Brorhilker bekommt den FriedensPreis 2025. Und das nicht für lauwarme Worte oder meditative Stille – sondern weil sie ausgepackt hat. Weil sie hinlangt, wo’s wehtut: bei denen, die uns schamlos ausnehmen.

Cum-Ex und Cum-Cum – klingt nach Yoga-Übung oder Kinderreim, ist aber nichts anderes als organisierter Steuerraub.

Anne Brorhilker, einst Deutschlands oberste Cum-Ex-Jägerin, hatte 2024 den Dienst quittiert. Zermürbt, gemobbt, ausgebremst – von einem Staat, der sich lieber mit dem kleinen Schwarzarbeiter befasst als mit milliardenschweren Steuertricksern im Maßanzug. 100 Milliarden Euro Schaden Jahr um Jahr durch Steuerbetrug – das sagt nicht irgendwer, das sagt Brorhilker und belegt das mit handfesten Zahlen. 100 Milliarden – das ist mehr als doppelt soviel wie Hartz IV, Bürgergeld, Wohngeld, hinter deren Empfängern die Regierenden her sind wie der Hund hinter der Wurst. Da wird über angeblich arbeitsunwillige Faulenzer hergezogen, was das Zeug hält – und die großen, ganz großen Fische schlüpfen jahrzehntelang durchs Netz.

Aber Cum-Ex war ja erst der Anfang. Cum-Cum, der große Bruder, läuft fröhlich weiter, fast unbehelligt. Während bei Cum-Ex wenigstens ein Teil der Beute zurückgeholt wurde, liegt die Rückführungsquote bei Cum-Cum bei einem Prozent. Ein Prozent! Da schlackern selbst Finanzbeamte mit den Ohren – sofern sie nicht längst in die Beratung gewechselt sind.

Die Masche ist so simpel wie dreist: Man lässt sich Steuern erstatten, die man nie gezahlt hat. Den Trick nennt man schlicht Gesetzeslücke und fühlt sich dabei auch noch oberschlau. Unterstützt wird das Ganze von einem Heer aus Bankern, Steuerberatern, Juristen und Lobbyisten. Sie sind die eigentlichen Architekten des Abzocksystems – und mit im Boot deine Hausbank.

Wer das anprangert, wird diffamiert, ausgebremst, kaltgestellt. So wie Anne Brorhilker. Doch sie gibt nicht auf. Heute ist sie bei Finanzwende und schlägt weiter Alarm. Zu Recht.

Demokratie verteidigen heißt auch, den Großen auf die Finger zu schauen und zu hauen. Und zwar mit Lupe und Rückgrat. Also? Wir brauchen mehr Brorhilkers. „Und wir brauchen einen Staat, der nicht nur Bäcker kontrolliert, sondern Banken“, ruft meine Omi Glimbzsch aus Zittau. „Der nicht die Armen jagt, sondern die Raffgierigen.“ Ein Staat, der sagt: Schluss mit dem legalisierten Diebstahl. Wer den Rechtsstaat verscheißert und verkauft, darf sich übers Pfeifen auf die Demokratie und die Politikverdrossenheit nicht wundern. Und über eine schwindende Mitte.

Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de