Der Iwan kommt! – Eine Kolumne von Peter Grohmann

Der Iwan kommt!

Von Peter Grohmann

Vor’n paar Jahren hätt‘ ich noch gezweifelt, aber jetzt bin ich mir sicher: Der Iwan kommt! Ob er heute kommt oder morgen kommt: Wer weiß?
Mich als Kriegskind (echt jetzt – da müssen Sie noch einiges nachholen!) hat Pistoriussens Volksruf an die Kriegstüchtigkeit wie ein Hammer von Merlin Hummel getroffen (Silbermedaille 2025, Tokio: 82 Meter).

Kriegstüchtig: Das war ein Aufruf, ach was, ein Weckruf an uns alle. Nach schweren Nachtsitzungen und Beschuss von Putin haben die drei Regierungsparteien CDU, CSU und SPD Nägel mit Köpfchen gemacht: Alle Männer ab 18 müssen sich ab Juni 2027 mustern lassen – egal, ob und wie sie sexuell, weltanschaulich oder modemäßig orientiert sind. Noch wichtiger: Ab sofort kann sich Jedermann freiwillig beim Bund, der Feuerwehr oder der Jungen Union zum Dienst melden. Wer halbwegs gesund ist, wird ausgebildet, bekommt einen Führerschein und monatlich bis 2.300 Euro Stütze. Da wird sich jeder Bürgergeldempfänger die Finger lecken. Von den Rentnern, die für 45 Arbeitsjahre eben mal auf magere 1.500 Euro kommen, schweigen wir besser. Das ist nur die eine Seite der Kriegstüchtigkeit – die andere?

In meinen Kinderjahren gab’s Vorratshaltung für den Russenfall: saure Gurken im Keller, Kartoffeln, Brennholz, getrocknetes Brot, das einen ab 1945 über den Russki und alte Nazis weghalf. Schützengräben wurden zugeschüttet, Bunker zu Hotels. Wie vorschnell! Eine gute Kriegstüchtigkeit setzt voraus, dass man zum Beispiel bei einem Einkaufbummel erstens die Sirenen hört (Handy weg!) und sofort im Untergrund verschwinden kann. Alle Behörden und Rathäuser müssen kriegstüchtig werden – also braucht’s dort Luftschutzkeller und einen 10-Tage-Vorrat an Nahrung und Wasser (1,5 Liter/Tag/Mann). Klar, das gilt auch für alle Schulen, Unis, Krankenhäuser, Büros, Fabriken. Bei Altersheimen weiß ich jetzt nicht, was geplant ist.

Wer zu Hause ist, wenn der Russe kommt und klingelt: Nicht aufmachen! Ab in den Keller. Allerdings verzichten mehr als 60 Prozent der Bauherren auf den guten alten Keller und bauen lieber eine Garage. Das ist unverantwortlich, auch wenn noch offen bleibt, ob der übliche Hausbunker atombombensicher sein muss und wie man das prüft. Von ordentlichen Autobahnen, einer kriegstüchtigen Bahn, dem Luftschutz kriegswichtiger Unternehmen (KraussMaffei, Diehl, Airbus) und von Kraftwerken mal ganz zu schweigen. Dazu und über den Schutz wichtiger Kulturgüter wie der Semperoper, dem Kölner Dom oder dem Geburtshaus von Hegel andermal mehr – auch zur Frage, wo denn um Himmels willen Parlamente und Regierung im Kriegsfall unterkommen.
Meine Omi Glimbzsch aus Zittau ist pragmatisch: „Vor 10, 15 Jahren braucht der Russe nich extra zu kommen!“

Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de