Arschkriecher
Von Peter Grohmann
Das Wort Arschkriecher gilt ja eigentlich als „bäbä“, also nicht sagbar, wenn auch machbar. Dennoch taucht es in der dünner werdenden Tagespresse und ihren Bierzelten, ja gar in noch größerer Literatur auf. Weder Schiller und Hegel noch Goethe, weder Mozart noch Heino, weder Luther, Ebert oder Noske haben sich gescheut, diese dreiste, aber folgerichtige Beschreibung so mancher Mitmenschen zu nutzen.In diesen Zeiten erfährt die Anwendung weltweit großen Zuspruch. Der kommt aus allen Kreisen, selbst den gebildeten. Viele der vornehmsten Zeitgenossen unserer Jahrgänge gesellen sich freiwillig zur Gruppe A, ohne Scham und Schande. Nehmt nur die Kriechologen der EU, die vor einem Psychopathen und Oberarsch den Kotau machen: Sie warten im Vorzimmer bei lauzwarmen Tee, geduldig wie Schafe vor der Schur, während der Friedensnobelpreisträger in Spe sein Zahnfleisch reinigt und sich über die Wartenden königlich amüsiert.
Es gibt wenig rühmliche Ausnahmen – nahezu alle Präsidenten, Könige, Autokraten, Autofahrer, Paschas und Minister lecken dem weißen Mann im Weißen Haus die Stiefel. Und im ihrem Gefolge die Könige und Kaiser der größten Unternehmen der Erde, Medienmogule, hundertfache Milliardäre. Es fehlt nur noch der Papst. Nein, die bereits vor Jahren wortreich angekündigte schonungslose Demontage des Staates, der Institutionen, von Recht und Ordnung, die gnadenlose und rechtsfreie Verfolgung aller Kritiker und Gegner macht Mensch und Maschine in der ältesten Demokratie der Welt fassungslos. Der große Weiße Mann pfeift auf Sitte und Anstand, auf Fairness und Regeln, und mit ihm jubeln die Pseudochristen, die Gotteskrieger im großen Halleluja, knien nieder vor dem Selfmade-Heiland, der ihnen das Neues Testament um die Ohren hat.
Sollen wir nun also unsere Freundinnen und Freunde, Republikaner der guten Art, Demokraten, alle Freigeister und Humanisten jenseist des Großen Teiches zum Widersstand rufen, ihnen vielleicht Asyl anbieten bei Söder? Oder Handfeuerwaffen Waffen gegen den Zerstörer? Sollen wir den in Seenot geratenen Schiffen im Golf von Mexiko mit Frontex zur Hilfe eilen? Sollen wir mit unseren christlichen Schwestern und Brüdern die Kirchentüren in Chikago, New York oder Los Angelos verrammeln, hinter denen sich die Peoples of Color verschanzen?
Oder einfach nur wie immer „Solidarität mit den Verfolgten“ rufen? Kennen wir ja auswendig. „Junge, ich weeeß ooch nich“, tät meine Omi Glimbzsch in Zittau sagen.
Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de