Die Kurzgeschichte der Woche

Hamburg, Til Schweiger und der HSVneuhaus_neu

von Klaus Neuhaus*

Es ist selten von Nachteil reich zu sein. Eher kennen wir es umgekehrt.
Ob im Gesundheitswesen, im täglichen Zurechtkommen mit Rechnungen, die uns ungefragt zugestellt werden, in Sachen Urlaubsgestaltung oder Bildung erschwert einem Reichtum nicht unbedingt das Leben.

Glück und Zufriedenheit möchte ich in diesem Zusammenhang außen vor lassen.
Es gibt Ausnahmen.
Eine davon ist das Königsteiner Modell. Es regelt seit 1949 wie Asylsuchende in Deutschland auf die einzelnen Bundesländer verteilt werden.
Aus Einwohnerzahl und Steueraufkommen, also Reichtum der Bürger, errechnet sich die Verteilung nach diesem Schlüssel.
Die Flächengröße spielt hierbei keine Rolle.

Da in Hamburg viele Menschen leben, die unvorstellbar reich sind, muss Hamburg mehr Asylsuchende aufnehmen als zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern, das doch wesentlich größer ist.
Dass einigen Hamburger Immobilienfritzen ganze Seestriche in Mecklenburg-Vorpommern gehören, spielt bei dieser Rechnung übrigens keine Rolle.
Oder über die Steuereinnahmen doch wieder?
Wie es auch sei.

Es trifft sich gut, dass reiche Leute gerne sammeln und es Charity nennen. Das kennen wir aus den USA.
Die Deutung, warum das so ist, möchte ich lieber den Könnern unter den Psychologen überlassen.
Eine Perle der deutschen Presselandschaft ist das “Hamburger Abendblatt”. Es ruft im Sommer seine Leserschaft zu einer Sammelaktion für Asylbewerber auf.
Diese Sachen werden gebraucht:

  • Jeans, Sweatshirts für Männer in den Größen S und M – gewaschen oder gereinigt
  • Gleiche Kleidung für Jugendliche ab Größe 158
  • Leggins, lange Röcke und langärmelige T-Shirts für Frauen ab Größe 158
  • Turnschuhe und Fußballschuhe in gutem Zustand
  • Bettwäsche und Handtücher – gewaschen oder gereinigt
  • Sportliche Regenjacken
  • Flipflops und Badelatschen
  • Regenschirme
  • Koffer und Reisetaschen
  • Kinderwagen
  • Fahrräder und Roller
  • Unterwäsche und Socken, ungetragen
  • Hygieneartikel
  • Säuglingsnahrung, original verpackt
  • Schreibblöcke und Papier (für Deutschkurse)
  • Material zum Malen (für Kinder)
  • Fußbälle und andere Bälle
    (Aufstellung “Hamburger Abendblatt”)

Diese gut gemeinte Aktion wird von Til Schweiger, einem bekannten Schauspieler und Filmemacher, unterstützt.
Unterschätzt hat er dabei die Reaktionen einiger seiner „Fans“, die wahrscheinlich seinen Besuch bei der „Truppe“ in Afghanistan noch gut fanden.
Doch das jetzt finden sie nicht so toll.

Einen Teil ihrer Leserbriefe finden wir in einer anderen Hamburger Zeitung, der “Hamburger Morgenpost”, die auf der Titelseite mit deutlich größeren Buchstaben druckt als das Abendblatt.
Til Schweiger wird darin aufgefordert, einige Asylbewerber in seiner Villa aufzunehmen.
Harmlos im Vergleich zu den Beschimpfungen, die Herrn Schweiger in den fälschlicherweise so genannten sozialen Netzwerken entgegengebracht werden.

Bekannterweise ist Til Schweiger in der Lage, sich zu wehren. Zumindest in Film und Fernsehen.
Sich gewehrt hat er dann auch umgehend mit dem Satz: „Verpisst euch von meiner Seite, empathieloses Pack.“

Klartext.

Danach geht es erst mal so richtig los im Netz.
Diese Boshaftigkeiten lasse ich allerdings weg. Dafür ist die “Hamburger Morgenpost” zuständig.

Das “Hamburger Abendblatt” berichtet später, dass mehr als 10.000 Menschen mit Hilfspaketen zum Abendblatt kamen und für unvergessliche Momente sorgten.
Zusätzlich trafen 10.000 Euro an Spenden ein.
Til Schweiger möchte demnächst ein Haus für Asylbewerber zur Verfügung stellen.
Das ist alles sehr löblich.
Zeitgleich versucht das Stadtland Hamburg, dem HSV auf dessen Vereinsgelände eine Herberge für Asylsuchende aufs Auge zu drücken.
Der Verein mit der Raute im Herzen reagiert verschnupft, verspricht aber verschämt, sich anderweitig zu beteiligen.
Vielleicht spendieren die Rothosen der Sammelaktion des “Hamburger Abendblattes” noch einige abgewetzte Fußbälle für die Flüchtlingskinder.

Es ist manchmal ganz schön verzwickt, reich zu sein.
Zumindest wenn man eine Stadt ist oder ein Land oder beides gleichzeitig.

Übrigens, bevor da irgendwelche Gerüchte aufkommen: Nicht alle Hamburger sind reich.
Und wenn ich kritisch meinen Bauch betrachte, baut sich in meinem Kopf die Frage auf: Weshalb benötigen die Asylbewerber keine T-Shirts in der Größe XL?

* Die vorstehende Kurzgeschichte ist einem Buch des Mengeders Klaus Neuhaus entnommen, das am 9. September 2016 im Unkorrekt-Verlag erschienen ist. (vgl. hierzu auch MENGEDE:InTakt vom 16.8.2016: “Auf eine Tasse Kaffee mit Klaus die Maus”)
Der Titel des Buches:
DER SPIELZEUG-REFORMATOR und andere Gerechtigkeiten
Web

 

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