Politik belästigen
Eine Kolumne von Peter Grohmann
KONTEXT:Wochenzeitung vom 29.11.2017
Ebenso funktioniert der Text mit Wählern und Politikern. Was der gemeine Wähler den Parteien immer wieder schenkt, ist das grenzenlose Vertrauen in seine (also des Wählers!) Fähigkeit, jede Kröte zu schlucken, damit die Auserwählten das Vaterland mit starker Hand beschirmen. Ist der Akt erledigt, muss man erst wieder in vier Jahren ran. Damit das aber nicht zu lästig wird, wollen die wichtigsten Parteien dem Wähler ein weiteres Jahr spenden, damit er mehr Zeit zur Kontrolle hat. Bis dahin steht die Regierung.
Martin Schulz sagt ja dieser Tage sehr richtig: „Ich strebe keine Große Koalition an, ich strebe auch keine Minderheitsregierung an. Ich strebe auch keine Neuwahlen an. Ich streb gar nix an.“ Der heilige Martin hat noch mehr gesagt, aber die Schote mit der Gerechtigkeit kennen ja schon alle.
Da hat einer sehr wahr aus dem Parteiennähkästchen geplaudert. Doch Vorsicht, Genosse Martin, Whistleblower sind hierzulande quasi Freiwild! Die Politik tut sich wahnsinnig schwer, die Aufklärer zu schützen. Sie könnte ja über kurz oder lang selbst betroffen sein. Der weiche Teppich des Vertuschens und (Ver-)Schweigens darf nicht verrutschen, ob es nun um Verfassungsbruch beim KPD-Verbot, die RAF oder staatlich angeheuerte Mordhelfer beim NSU geht.
Letztens hat die Aufklärungs-Sendung „Die Anstalt“ ganze Arbeit geleistet und auf die neoliberalen Elitezirkel hingewiesen, die es gar nicht gibt. Konkurrierende Medien tun sich halt schwer, neue Fässer aufzumachen, noch dazu, wo es um dieses weltumfassende Netzwerk von Eliten geht: Das kostet Geld und bringt Ärger statt Umsatz und Absatz. Die meisten Leute würden sich ja auch ärgern, wenn sie wüssten, welchen Einfluss ich als kleine radikale Minderheit habe – und wir alle als Belästiger.
Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter.
Die KONTEXT:Wochenzeitung ist eine Internet-Zeitung aus Stuttgart, die seit 6 Jahren wöchentlich mittwochs ins Netz gestellt wird. Zusätzlich liegt sie als Printausgabe der Wochenendausgabe der taz bei. Wir danken der Redaktion und Peter Grohmann für die Zustimmung zum Abdruck der Kolumne.
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