Erinnerungen an das Ende des 2. Weltkrieges
Friedhelm Kranefeld, in den 50er Jahren Jugendwart im TV Mengede, aus beruflichen Gründen vor langer Zeit nach Köln „ausgewandert“, denkt trotz seiner 87 Lebensjahre immer noch gern an seine alte Heimat zurück. Er hat als Jugendlicher den 2. Weltkrieg und dessen Ende in Mengede bewusst erlebt und erinnert sich an die letzten Tage des Krieges aber auch an die turbulente Zeit danach. Hier sein Bericht:Die bösen Amis
“Seit ich die Amerikaner kenne, -ich kenne sie seit meinem 5. Lebensjahr-, schätze ich sie. Mittlerweile bin ich 87 Jahre alt und habe weiterhin eine ungebrochene Sympathie für das amerikanische Volk, auch wenn mich der jetzige Präsident Donald Trump mehr als irritiert. Deswegen krame ich in meiner Erinnerung und es fällt mit die Zeit ein, als der 2. Weltkrieg zu Ende ging: Als im Jahre 1945 die Amerikaner das Ruhrgebiet besetzten, hatten wir HJ-Verblendeten nichts als Verachtung für die bösen Amis. Wir – als naziverdorbene Pimpfe der Hitler-Jugend, noch in der Jungvolk-Uniform, gelobten seinerzeit: „Die schmeißen wir wieder raus!“
Derweil zogen „bis an die Zähne bewaffnete“ amerikanische Soldaten an uns vorbei. Wir standen hinter einer Mauer, schauten dem Vorbeimarsch zu und bekräftigten uns in unserer Absicht, den Rauschschmiss bei nächster Gelegenheit zu vollziehen. Die HJ-Uniform hatten wir noch an. Die Amerikaner zogen weiter gen Osten. Die Kapitulation der Hitler-Wehrmacht stand dicht bevor.
Ein Mitbewohner unseres Hauses – direkt an der Einmarsch-Route der Amis nach Dortmund gelegen – warnte uns: „ . . . Seid ihr verrückt, seht ihr denn nicht, was da passiert? Zieht sofort die dämliche HJ-Uniform aus, verschwindet in den Keller und lasst euch draußen nicht wieder in HJ-Uniform blicken! Wir gehorchten murrend. Für uns war der Krieg beendet.
Und wir wurden eines Besseren belehrt. Die angeblich so bösen Amis waren lieb zu uns und verwöhnten uns mit Lebensmittelgaben, sogar Schokolade war dabei. Für unsere Väter warfen sie kurz angerauchte Zigaretten auf die Straße, die wir begierig einsammelten, da sie ein beliebtes Tauschobjekte für Brot und andere Lebensmittel waren. Darüber hinaus versorgten uns die Amerikaner auch noch mit einem eigenartigen Brei, der sehr gut schmeckte.
Die russischen Zwangsarbeiter
Nahe der Wohnung meiner Eltern gab es ein stacheldrahtbewehrtes Kriegsgefangenen-Lager, in dem russische Soldaten eingesperrt waren. Allmorgendlich wurden sie von bewaffneten deutschen Soldaten abgeholt, um dann in der Zeche „Gustav“ untertage und ‘vor Ort’ Kohle und Gestein abzubauen. Diese Männer sahen so erbärmlich aus, dass man sich kaum traute, hinzuschauen, wie sie zur Zwangsarbeit getrieben bzw. geführt wurden. Mildtätige Mengeder Frauen ließen es sich nicht nehmen, heimlich den armen Menschen Essbares zuzustecken. Die Gefangenen bedankten sich, indem sie kleine Kunstwerke aus sogenanntem Schießdraht herstellten und diese ihren Gönnerinnen überreichten. Schießdraht benötigte man untertage, um elektrische Sprengungen für Kohle und taubes Gestein vorzunehmen.
Wir Pimpfe, nach wie vor hitlertreu, fanden das, so wie es war, in Ordnung. Sie waren immerhin die bösen russischen Feinde und angeblich Untermenschen. Als dann die Amerikaner unseren Ort Mengede besetzten, öffneten sie alle Tore der Gefangenen-Lager. Die nunmehr freien sowjetischen Soldaten schwärmten aus, plünderten viele Geschäfte, die noch etwas ‘auf Lager’ hatten, saßen mit erbeuteten Musikinstrumenten in den Schaufenstern und musizierten herzerfrischend drauflos.
Die Brotfabrik Peine…
In Mengede gab es die Brotfabrik Lorenz Peine, in deren Backöfen Brot heran garte. Vor den Fabriktoren staute sich eine große hungrige Menschenmenge. Die Menschen drohten die Brotfabrik zu erstürmen. Daraufhin ließ Lorenz Peine die Fabrikhallen-Tore öffnen. Die Menschen rissen die Backofentüren auf und füllten ihre Säcke und Karren mit halbgarem Brot. Der noch ziemlich flüssige Teig lief aus, übrig blieb lediglich die „Kruste“. Immerhin: besser als gar nichts.
Lorenz Peine konnte auf diese Weise in letzter Minute seine ‘Brotfabrik’ retten. Die sogenannten ‘Plünderer’ -Russen’ , aber auch Deutsche, zogen durch Mengede und nahmen alles was nicht niet-und nagelfest war, mit.
...und der Metzgermeister Hermann Fischer
In unserem Haus in Dortmund-Mengede, Sperberstraße 29, wohnte u.a. der tüchtige Metzgermeister Hermann Fischer. Meister Fischer hatte es geschafft, viel Frischfleisch und Wurst zu bunkern („hamstern“). Als das bekannt wurde baute sich vor unserem Haus eine ‘Menge hungriger Menschen auf. Nun rückten die hungrigen ‘Plünderer’ an. Meister Fischer baute ‘Barrieren-Gänge’ auf -auch mit meiner Hilfe- und ließ die Plünderwilligen in schmalen Gängen zum Schlachthaus hinströmen. Das lief dann einigermaßen diszipliniert ab. Jeder Hungrige bekam ein gehöriges Stück Fleisch und eine dicke Wurst.
Er, – Meister Fischer -, bedachte uns Mitbewohnern jeweils auch mit einer halben Seite Räucherfleisch und dazu noch einen großen Kranz Wurst als ‘Dankeschön“ für unsere Mithilfe bei der Aktion. Auf diese Weise hat er erfolgreich verhindert, das seine Metzgerei geplündert bzw. demoliert wurde.
Es fällt mir nicht leicht die vielen Ereignisse im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg allesamt zu erwähnen bzw. zu nennen. In meinem Alter, ich bin jetzt beinahe 87 Jahre alt. Aber bei gezieltem Nachfragen und Nachdenken fällt mir bestimmt noch vieles ein.“
Friedhelm Kranefeld