Harry und Meghan
KONTEXT:Wochenzeitung vom 23. 5. 2018
Aber jetzt mal was ganz anderes: Alle chilenischen Bischöfe haben dieser Tage meinem Freund Franzl den Rücktritt angeboten. Was für ein Zeichen von Solidarität – und Starrsinn. Würde Franziskus die Rücktritte annehmen, wäre das schlimmer als ein Verzicht aufs Grundeinkommen. Der Papst nämlich hatte seine heilige Dienerschaft derart in den Senkel gestellt, dass den Bischöfen Hören und Sehen verging. Missbrauch von Kindern, ob hinter oder vor der Kirche, ist allerdings nichts Neues zwischen Regensburg und Santiago. Und der Vorwurf, dass die Oberpriester ihre Hände in den Schoß legen, geht daneben. Wo sollten sie sie denn sonst hinlegen?
Auch Stuttgart legt die Hände in den Schoß, was den Wohnungsbau angeht. Schon Engels wusste: Wohnungsnot macht Wangen rot — und Heslach. Klar, dass bei einer Hausbesetzung die Gesetze brechenden Hausbesitzer und die Ortspresse schneller auf den Barrikaden sind als die jungen Familien, denen man wieder und wieder gepredigt hatte: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Das Haus in der Wilhelm-Raabe-Straße stand lange genug leer. Der Namensgeber Raabe war überdies ein Vertreter des poetischen Realismus und bekannt für seine gesellschaftskritischen Erzählungen.
Selbst in Berlin sind ja jetzt wieder erfreulich viele leerstehende Häuser besetzt und der Werterhaltung zugeführt worden. Transparente wurden aus Fenstern gehängt – eine praktische Form der Erinnerungsarbeit an die 68er.
Wenn Theorie auf Praxis trifft, kann das ins Auge gehen, das wusste schon meine Omi Glimbzsch in Zittau. In Stuttgart will die grüne Kommune grünes Licht für die Sondernutzung eines Trinkwasser-Schutzgebietes als Müllhalde geben. Hier liegt der Ursprung aller Mineralquellen, die Cannstatt zum bekannten und beliebten Bad machten – fast so beliebt wie Stuttgart 21 oder Harry und Meghan.