Mengede vergisst nie

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80 Jahre Pogromnacht

80 Jahre ist es her, dass die Nazis in der sog. Reichskristallnacht die Geschäfte deutscher Juden plünderten und verwüsteten. Für das Mengeder „Netzwerk gegen Rechts“ ein Anlass, in einer Gedenkveranstaltung an die reichsweit organisierten Gewalt- und Schandtaten zu erinnern.

Erinnern nicht nur an die plündernden Nazis, sondern auch auf jene zu schauen, die damals neugierig und interessiert auf die lodernden Flammen blickten – keineswegs teilnahmslos, sondern hämisch und schadenfroh lachend und sich ungeniert an den Plünderungen beteiligten.
Und was häufig in diesem Zusammenhang vergessen wird: Die Verhafteten mussten unsägliche Gewalt über sich ergehen lassen.

   


All das tat der „fröhlichen Teilhabe an öffentlicher Diffamierung und organisierter Zerstörungswut“ (taz) keinen Abbruch.
Die Pogrome waren vor 80 Jahren nicht auf große Städte begrenzt, sie fanden in ca. 2000 Ortschaften statt – also überall und flächendeckend in ganz Deutschland.

   

Knapp 100 Menschen aus dem Stadtbezirk Mengede nahmen gestern an der Gedenkveranstaltung teil – erfreulich groß die Anzahl der Jugendlichen. Begonnen wurde im Mengeder Amtshaus im früheren Gefängnis im Hinterhof des Gebäudes. Danach setzte sich der Zug in Bewegung. Am Saalbau wurde innegehalten, ebenso an der Williburgstraße 6, dem von den Nazis so bezeichneten „Judenhaus“ und auf dem Vorplatz der evgl. St. Remiguskirche.

Daran schloss sich dann eine Andacht in der Kirche an, die von Pfarrer Reinald Martin-Bullman und Schülerinnen und Schülern der Albert-Schweitzer-Realschule und des Heinrich-Heine-Gymnasiums gestaltet wurde.

   

In seiner kurzen Ansprache sagte Pfarrer Martin-Bullmann u.a.
80 Jahre ist diese Nacht jetzt her. Und es bleibt unbegreiflich
Für die Jüngeren, aber auch für die Älteren, die es miterlebt haben.
Vielleicht sind einige davon heute auch hier i, Gottesdienst.
Sie waren damals noch Kinder. So wie mein Vater, der mir erzählte, wie er und andere Kinder damals die brennende Synagoge in Dortmund sahen. Sie sahen auch, was die Feuerwehr machte. Und dann fragten einige Kinder: Warum löschen die nur die Nachbarhäuser und nicht die brennende Synagoge?
So war das in vielen Städten.
Nur in wenigen Städten konnten die Synagogen gerettet werden. Z. B. die Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin.
Da war es der Vorsteher des Polizeireviers. Mit einigen seiner Beamten verjagte er die SA-Brandstifter und benachrichtigte die Feuerwehrrand der Synagoge.
In Dortmund dagegen verbrannte die Synagoge. Heute erinnert nur eine Bronzeplatte vor dem Theater an sie.

  

Aber: Nicht nur die Synagogen wurden zerstört, auch Wohnungen, Geschäfts- und Büroräume von Jüdinnen und Juden wurden demoliert, deren Bewohner misshandelt. Tote gab es zu beklagen. Auch hier bei uns in Mengede. Aus hier begann der Übergang von der Diskriminierung durch den „Judenboykott“ oder die Nürnberger Rassegesetze hin zu systematischen Verfolgung mit diesem Fanal.
Wer den Brand entfacht hat? Entfacht hatten ihn wenige, aber dabei gestanden und geschwiegen haben viele, die Hände zum Löschen gehoben hat keiner.

„Kein Prophet redet mehr“, hatte sich Dietrich Bonhoeffer in seiner Bibel unterstrichen (und man könnte ergänzen: Keine Kirche redete). Weder in der evangelischen noch in der katholischen Kirche gab es eine Stellungnahme gegen das Geschehen. Einige – auch hier in Mengede -haben dieses Programm begrüßt und der Meldung einer Tageszeitung vom 10. November 1938 zugestimmt, dass „der Tempel des rachsüchtigen Judengottes in Flammen aufgegangen sei.“

Aber Gott sei Dank, gibt es heute in vielen Städten Deutschland wieder Synagogen! Und es ist wichtig, dass diese Gemeinden unsere Unterstützung und unsere Solidarität erfahren. Wir können das Geschehene nicht ungeschehen machen.

Jüdinnen und Juden sollen sich hier sicher und willkommen fühlen.
Und wir sollen das das Gespräch mit ihnen suchen, mit unserer Zwillingsreligion.
Einander begegnen, voneinander lernen, miteinander handeln: damit niemand wegen seiner Herkunft oder Religion bei uns benachteiligt oder diskriminiert wird, damit Gottes Reich der Gerechtigkeit und des Friedens unter uns spürbar werde.

Die Wunden und Narben der brennenden Synagogen und der vielen Ermordeten werden bleiben, aber Neuanfänge, in denen neues Vertrauen wachsen kann, sind möglich.

 

Zur Abschluss trafen sich die TeilnehmerInnen im Haus des Heimatvereins. Knapp 30 Personen folgten noch einem Vortrag eines Mitglieds der Quartierdemokraten Dorstfeld. Herr Neumann sprach zum Thema „Antisemitismus, was ist das überhaupt? Wo begegnet er uns?“ Es wurde gut dargestellt, dass es Antisemitismus immer schon gab. Es gibt ihn überall auf der Welt, aber nur in Deutschland immer in Zusammenhang mit Rechtsextremismus. Deutsche haben ihren speziellen Antisemitismus.

Der Dozent beleuchtete zum Schluss noch die „Dortmunder Zustände“, welche hier eine besondere Ausprägung haben. Immer wieder gibt es antisemitische Äußerungen, insbesondere aus Dorstfeld. Die Diskussion war lebhaft und engagiert. 10 Jugendliche, der teilnehmenden Schulen aus Mengede berichteten von antisemitistischen Schulhoferlebnissen. und wurden von den übrigenTeilnehmerInnen bestärkt,  weiter dagegen anzugehen.

Die Organisatoren werten die gelungene Veranstaltung als guten Erfolg. Vor allem hat man sich über den großen Zuspruch der Bevölkerung Mengedes gefreut Es habe sich gezeigt: Mengede sagt „Nie wieder!“

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