Mittelalterliches Gaudium in Mengede

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Diesmal sollen auch die düsteren Seiten der Epoche gezeigt werden

Seit 2008 findet jährlich im Mengeder Volksgarten das mittelalterliche Gaudium statt. Hier kann man mittelalterliche Lebensweise bestaunen, alte Handwerkskunst vorgeführt bekommen, Gaukler und Spielleute erleben. Das Spektakel, das in den letzten Jahren auf steigende Besucherzahlen aus nah und fern zurückblicken kann, findet vom 30. Mai bis 2. Juni 2019 statt. Dabei können wir in diesem Jahr besonders gespannt sein, denn für das 12. Gaudi haben sich die Veranstalter eine ganze Reihe von neuen Programmpunkten ausgedacht. „Uns wurde in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen, wir würden das Mittelalter einseitig verherrlichen und nur einen Ausschnitt des mittelalterlichen Lebens zeigen. Diesen Vorwurf wollten wir nicht länger auf uns sitzen lassen. Diesmal werden wir auch die düsteren Seiten dieser Epoche zeigen“, erklärt ein Sprecher der Veranstalter. 

Da geht es zunächst um das mittelalterliche Gerichtswesen. Hier will man möglichst realistisch die damaligen Verhörmethoden, die Beweisführung und die Urteilsfindung  und –vollstreckung darstellen. So werden in einem der Zelte Folterinstrumente wie mit Eisendornen ausgestattete Hals-, Bein und Bauchzwingen zu sehen sein. Ebenso Streckbänke oder Brustreißer für Frauen. Da die Instrumente auch praktisch vorgeführt werden sollen, werden für die Demonstration noch Freiwillige gesucht. „Es wird keiner ernsthaft verletzt oder in Lebensgefahr gebracht“, so der Veranstaltungsleiter, „aber eine gewisse Schmerzunempfindlichkeit sollten die ‚Deliquenten‘ schon mitbringen.“

 Außerdem werden Schwimmer bzw. Taucher gesucht, die mindestens 3 Minuten die Luft anhalten können, um sogenannte Gottesurteile zu demonstrieren. Sie werden dann für einige Minuten in die nahe Emscher getaucht, die ja inzwischen relativ rein ist, im Gegensatz zum Mittelalter, wo auch das Eintauchen in Jauchegruben keine Seltenheit war. Von einer Tribüne am Emscherufer können die Zuschauer das Spektakel verfolgen.
Ein Schandpfahl wird ebenfalls aufgestellt. Da nicht feststeht, wie das Wetter sein wird, sollten die Personen hier relativ wetterresistent sein, also sowohl eine sengende Sonne als auch eine heftigen Regenguss vertragen können. 

Hexenprozesse werden ebenfalls nachgestellt. Hier hat man bei der Mengeder Geistlichkeit nachgefragt, die ja auch den Gottesdienst bei dem Fest am Sonntag gestaltet. Die Veranstalter sind zuversichtlich, dass sich ein Pfarrer als Vorsitzender Richter finden wird. Das Verbrennen auf dem Scheiterhaufen wird mit Strohpuppen ähnlich wie bei der traditionellen Bacchus-Beerdigung am Aschermittwoch simuliert. Hier sind auch die Mengeder Kleingartenvereine angesprochen, die schon jetzt ihren möglichst trockenen Bauschnitt am Eingang des Volksgartens abliefern können. 

Ärztliche Behandlungsmethoden im Mittelalter werden ebenfalls vorgeführt. Wer sich einen kranken Zahn oder ein Geschwür nach alter Art entfernen lassen will, sollte sich ebenfalls melden. Wer unter Bluthochdruck oder zu hohem Cholesterinspiegel leidet, dem könnte ein Aderlass gut tun.  

Besonders pikant wird die Präsentation des mittelalterlichen Bordellwesens sein, denn die sogenannten „gemainen Weiber“ hatten einen festen Platz in der damaligen Gesellschaft. Dafür sind die Umkleideräume des angrenzenden Fußballplatzes vorgesehen, die dortige „Kümmelecke“ wird für die Veranstaltungstage in „Lümmelecke“ umbenannt. Dieser Bereich ist ja bereits umzäunt, denn er steht nicht allen Besuchern offen. Minderjährige dürfen ihn nicht betreten, Kleriker auch nicht. Und genau wie im Mittelalter muss jeder männliche Besucher nachweisen, dass er unverheiratet ist. Allerdings gelten die gleichen Ausnahmen wie damals: Honoratioren der Stadt und Landespolitiker dürfen auch verheiratet sein. Die Frauen müssen, wie damals, jeden Kunden bedienen. Schwierig ist die Kalkulation des Liebeslohns. Im Mittelalter waren es 2 Pfennig, das war der Gegenwert von einem Pfund Kalbfleisch. Nach Erkundigungen bei der Fleischerei Beermann kosten Kalbsschnitzel heute 19,95 € je Kilo, so dass als Fixpreis 10,- € festgelegt wurden. Zur Verhütung werden, wie damals, ausschließlich Schaf- und Schweinedärme eingesetzt.  

Wegen der neuen Bereiche wird die Veranstaltung in diesem Jahr, und, wenn sie erfolgreich ist, was bei dem gut durchdachten und historisch authentischem Angebot anzunehmen ist, auch künftig„Mittelalterliches G(r)audium“ heißen.

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