Hol die Unterwanderstiefel raus!
Eine Kolumne von Peter Grohmann
Jetzt geht’s loohoos: Die meisten Kneipen sind wieder offen, jedenfalls außen, die Hotels auch, aber innen, und die Obdachlosen reiben sich ihre coronaverseuchten Hände. Keine Bank war vor ihnen sicher. Das ist jetzt vorbei. Im Thüringer Wald haben Bernd Höcke und Andrea Kalbitz ihre Unterwanderstiefel angezogen und sammeln jetzt fleißig Giftpilze – neue Ernte. Meuthen muss als erster kosten.
Was für eine Aufregung! Vor 50 Jahren oder so hat doch (außer mir) fast kein Hahn danach gekräht, wer in der NSDAP, der SA oder der SS war! Da war man eher verdächtig, wenn man nicht drinne war.
Der wöchentliche Aufreger sind aber natürlich momentan eher die Samstag-Demos der besorgten Bürger. Alles unterwandert – Lust- und Spaß- und Wutbürger paaren sich auf nackter Wiese zur Musik von Xavier Naidoo, Anselm Lenz, Jürgen Elsässer, Attila Hildmann und Ken Jebsen. Ist das vielleicht die neue verlorene Generation? Oder eher Richtung Ballermann? Und was sagt die Systempresse dazu?
Mehr als 30 % der Bundesbürger:nnen zweifeln nicht nur am Wetterbericht, sondern auch an den Nachrichten. Sie äußern ein akutes und grundsätzliches Misstrauen gegen die Berichterstattung etablierter Medien und trauen der Bundesregierung fast alles zu (ich weniger, aber viel). Warum? Schlüssige Antworten können letztlich nur die Geheimdienste geben, die das bedingungslose Grundeinkommen – sorry – das Abhören der Journalisten durchsetzen wollen.
Dem steht dummerweise der Artikel 5 des Grundgesetzes entgegen, der die Herstellung und Verbreitung der Medien generell gegen staatliche Eingriffe schützen soll – vor allem gegen solche, die sie an der Wahrnehmung ihrer “öffentlichen Aufgabe” hindern würden. Vergessen wird gern, dass der wesentliche Faktor für eine funktionierende Demokratie ein gutes Immunsystem ist – Information, Diskussion, Austausch und die Hoffnung, dass man die Welt verändern kann.
Politische Bildung kann vielerlei Ansteckungen verhindern. Der Mensch wird dumm und hässlich, wenn er keine Utopie hat, hat meine Omi Glimbzsch aus Zittau gerne gesagt.