Gretas Zopf und Hitlers Kinder – Eine Kolumne von Peter Grohmann

Gretas Zopf und Hitlers Kinder

Von Peter Grohmann

Es gibt Menschen und Medien, die mokieren sich, weil sich junge Mädchen neuerdings einen Zopf flechten – als Referenz an Greta Thunberg. Personenkult. Unsereins und vielleicht sogar Leute wie Sie haben Che-Guevara-Shirts getragen (Peter), Mao-Tse-Tung skandiert (Winfried) oder sich als Gammlerin verkleidet (Sarah). Generell gesehen ist die Jugend von heute eher anständig. Sie lässt sich impfen, ist trinkfester und gründet notfalls ein Start-up-Unternehmen für Zöpfe. Sie hält nicht viel von Antisemitismus – noch weniger von Semitismus, ist stolz auf die deutsche Mannschaft und unsere Geschichte und hilft der Nachbarin über die Straße, ob die will oder nicht.

Apropos Geschichte, da passt auch wunderbar der Artikel meiner liberalen Heimatzeitung dazu: Hitlers Barbarei im Namen Barbarossas! Wahnsinn, und gleich zwei Männer – Aufklärung bereits in der Schlagzeile zum 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion. Man lernt nie aus: Es war ein Einzeltäter! Nach solchen Lesarten lassen sich bestimmt auch findige Formulierungen für die neue Einkesselung des von der Sowjetunion nachgelassenen Russlands finden. Die Nato-Osterweiterung bringt den armen und lang unterdrückten Völkern jenseits von Oder und Neiße neue demokratische Lebensräume und die Chance auf Handel und Wandel. Aber vergessen wir bitte nicht, dass ja die Menschen auch für das durch Hitler begangene Unrecht entschädigt wurden!

Es stimmt, vor 80 Jahren starben innerhalb weniger Monate zwei Millionen der bis Ende 1941 gefangengesetzten 3,35 Millionen Menschen “in deutscher Obhut” – aber nach der Niederlage 1945 haben wir eben auch unser Menschenmöglichstes in Richtung Wiedergutmachung getan! Allein die ZwangsarbeiterInnen erhielten einmalige Unsummen zwischen 500 und 2.500 Euro. Und es stimmt auch, dass manche die Ankunft des Geldes leider nicht mehr erlebt haben – doch dafür warten wieder andere bis heute auf die Euros aus Deutschland. Ja, unsere Bürokratie! Aber Verständigung braucht Geduld. 1953 starb Josef Stalin – ein Jahr später meldete sich die UdSSR mit dem Wunsch, der NATO beizutreten: abgelehnt. Man fürchtete, die UdSSR könnte das Bündnis kompromittieren. Stalin? Das war doch der, der 1939 noch mit Adolf Hitler gemeinsame Sache machte, oder?

Der Hitler-Stalin-Pakt änderte nichts an Deutschlands Entschlossenheit, Anarchisten, Sozialisten, Kommunisten ein für allemal auszuschalten, Jüdinnen, Juden, Sinti und Roma auszurotten, zu vernichten und einen Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion zu führen. Wollt ihr den totalen Krieg? Egal – es war Hitler! Das kann man der Jugend von heute nicht oft genug sagen.

Wahr bleibt: Auch heute paktieren Abendland und Morgenland sogar mit dem Teufel. Aber natürlich nur, wenn kein anderer da ist.

Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de

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