Mario Lars Bücher
Nguyễn Phan Quế Mai: Der Gesang der Berge
“Der Gesang der Berge” der Autorin Nguyễn Phan Quế Mai ist eine nordvietnamesische Familiengeschichte. Sie umfasst den Zeitraum von 1930 bis 2017. Wechselnd zwischen der Perspektive von Großmutter Diệu Lan und Enkelin Hương wird das Schicksal von vier Generationen der Familie Trẩn erzählt. Die Auswirkungen der Weltkriege und des Vietnamkriegs, die Regimes der wechselnden Machthaber, ob Franzosen, Japaner oder Amerikaner, die Teilung des Landes und die Landreform – alles dies prägt das Leben der verschiedenen Familienmitglieder.
So flieht Großmutter Diệu Lan, nachdem ihr Mann vergiftet wurde, als Mitglied einer sogenannten Landbesitzerfamilie mit fünf ihrer Kinder. Der älteste Sohn musste untertauchen, um der Hinrichtung zu entkommen. Armut, Hunger, Trennung und Schweigen, um der Verfolgung zu entgehen, das endlose Warten auf die Kriegsheimkehrer und deren körperliche und seelische Schäden formen das Bild eines zutiefst traumatisierten Landes, dessen Bevölkerung dennoch voller Vertrauen und Hoffnung immer wieder versucht, eine Zukunft zu schaffen. Der nicht zufällig weibliche Kern an Resilienz der Familie, Großmutter und Enkelin, kämpfen erfolgreich ums Überleben, bauen ihr zerstörtes Haus wieder auf, sammeln die Überlebenden um sich, lernen für alle Notfälle Kampfkünste, meditieren und ehren ihre Ahnen.
Nüchtern aufzählend verschafft die Autorin, deren Familie Ähnliches durchlitt, dem Grauen Raum und lässt gleichzeitig Luft genug beim Lesen, um all dies zu erfassen. Der übersichtliche Familienstammbaum zu Beginn hilft sehr, die anfängliche Fremdheit der Namen zu überbrücken. Ein zutiefst beeindruckendes Buch.