Buchempfehlung: Maxine Wildner “Hilde Knef und das Lied des Lebens”

Hildergard Knef bei einer ihrer Tourneen in den 1960-er Jahren.

Für sie regnete es rote Rosen, doch die hatten manchmal viele Dornen
oder waren weiße Mäuse und Stinkbomben

Von Diethelm Textoris

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem nostalgischen Kino in Berlin. Dort läuft gerade in einer Retrospektive der Film „Schnee am Kilimandscharo“ nach dem Weltbestseller von Ernest Hemingway. Plötzlich stockt der Dialog zwischen Hildegard Knef als Comtesse Elisabeth und Gregory Peck als Harry Street. Hilde sagt etwas ganz anderes als vorgegeben. Gregory wiederholt verzweifelt immer den gleichen Satz, um sie zurück zum Textbuch zu holen. Die aber steigt aus dem Film aus, kommt zu  Ihnen herunter, um mit Ihnen einen Bummel durch das abendliche Berlin von heute zu machen und ganz nebenbei auf die Stationen ihres Lebens zurückzublicken. Genau diese Fiktion bildet den Rahmen zu dem kürzlich erschienenen Roman von Maxine Wildner „Hilde Knef und das Lied des Lebens“. Nur dass an Ihrer Stelle ein junger Mann namens Tobias sitzt, der sich erst unsicher dann aber fasziniert auf dieses Abenteuer einlässt.

Lebensgeschichte eines Multitalents
Fasziniert sein werden Sie als LeserIn von der ersten Seite an bei der Lektüre dieses hervorragend recherchierten Buches, das überaus spannend geschrieben ist und auch für Sie als mehr oder weniger großem Fan Bekanntes noch einmal lesenswert zu macht. Sie tauchen ein in die Lebensgeschichte einer Frau, die stark und schwach zugleich war, die als Multitalent Höhen und Tiefen in ihren Karrieren erlebt hat, robust wirkte und immer wieder von oft schweren Krankheiten heimgesucht wurde. Die mit manchen Männern in unterschiedlicher Altersdifferenz oberflächliche Affären hatte und mit anderen tiefe Beziehungen einging. Die Millionen verdiente und trotzdem oft mehr Schulden als Geld hatte.    

Beginnen wir mit der Knef als Schauspielerin. Mit ihr blicken wir hinter die Kulissen der UFA-Studios in Berlin-Babelsberg während des Dritten Reiches, wo die Reichskulturkammer und vor allem Josef Goebbels bestimmte, was gedreht oder nicht gedreht wurde, was aus fertigen Filmen herausgeschnitten werden musste oder ob der Film überhaupt in die Lichtspielhäuser kam. Wir erleben das Hollywood der 50-er Jahre, wo man möglichst viel im Studio und möglichst wenig außerhalb drehen wollte. Wo Produzenten und Regisseure wahre Götter waren. Wir erleben das Chaos des Musicals „Silk Stockings“ (Seidenstrümpfe) bis zur totalen Verausgabung der Protagonistin Knef, die als „größte Sängerin ohne Stimme“ die Ninotschka an 7 Tagen in der Woche im „Imperial Theater“ am Broadway 478-mal hintereinander verkörperte.

Aufruf zum Boykott des Films die Sünderin durch Vertreter der christlichen Kirchen.

Der Skandalfilm „Die Sünderin
Wir werden auch wieder eingetaucht in die Spießigkeit der 50-er Jahre unserer Bundesrepublik Deutschland. Da riefen die Moralapostel, allen voran katholische Bischöfe und Priester, aber auch evangelische Würdenträger zum Boykott und Aufstand gegen den Film „die Sünderin“ auf. Nur, weil die Knef als Aktmodell eines Malers für wenige Sekunden auf der Leinwand nackt zu sein schien und weil Sterbehilfe aus Mitleid, Selbstmord und auch Prostitution in diesem Meisterwerk von Willi Forst thematisiert wurden. Wenn man das heute liest, drängt sich unweigerlich die Vorstellung auf, dass die gleichen Priester, die die Eltern zum Protest aus moralischer Entrüstung anstachelten und zum Werfen von Stinkbomben und  Freilassen von weißen Mäusen im Kinosaal zwecks Panikmache ermunterten, vielleicht klammheimlich deren Kinder missbrauchten. Gezeigt werden auch die Stärken und Schwächen der großen SchauspielerInnen der damaligen Zeit, mit denen die Knef kollegiale Verbindungen und Freundschaften pflegte.

Hilde und die Gruppe Extrabreit bei der Neuauflage der roten Rosen.

Von Marlene Dietrich über Marilyn Monroe bis hin zum erwähnten Gregory Peck, Tyrone Power und Hans Albers

Der Kreis schließt sich
Wir begleiten Hildegard Knef als Sängerin auf ihren erfolgreichen Tourneen in den 60-er Jahren mit dem Big-Band-Orchester, wobei zwar der Komponist Hans Hammerschmid(t) immer wieder auftaucht, der damalige Bandleader Kurt Edelhagen aber nicht namentlich genannt und immer nur als „der Meister“ bezeichnet wird. Vielleicht, weil auch seine Schwäche für den Alkohol zur Sprache kommt. Wir erleben Hilde als Malerin, als Textautorin ihrer Schlager und Chansons und als Schriftstellerin von Weltbestsellern wie „Der geschenkte Gaul“ und „Das Urteil“. Zum Schluss gibt es noch ein Stelldichein der Stars in dem genannten Nostalgie-Kino und ein kurzer Abschied von Tobias nach dieser für ihn aufregenden und auch teuren Nacht. Dann steigt Hilde wieder ein in den Leinwanddialog und erlöst Gregory Peck von seiner Endlosschleife. Tobias tauscht den Kinosaal gegen das nächtliche Berlin. „Erst nach einer Weile fiel ihm auf, was er da leise vor sich hinsang… Wann immer das Lied von den roten Rosen erklingen würde, war Hilde da. Dann würde man an sie denken. Für immer.“ 

Info:
Der Roman „Hilde Knef und das Lied des Lebens“ von Maxine Wildner ist erschienen als Taschenbuch im Insel Verlag, Berlin. ISBN 978-3-458-68188-5. Preis 14,00 €. Das Buch ist in der „Buchhandlung am Amtshaus“ in Mengede vorrätig bzw. kann in längstens 24 Std. beschafft werden.
Die 1980 in Wien geborene Autorin war Schauspielerin und Dramaturgin an verschiedenen Bühnen in Deutschland und Österreich. Der Roman über Hildegard Knef ist ihr Erstlingswerk.

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