Der Dolch der Tscherkessen – Eine Kolumne von Peter Grohmann

Der Dolch der Tscherkessen

Von Peter Grohmann

Dumm gelaufen: Jetzt muss Annalena Baerbock über Nacht mit Putin gleichziehen und bis morgen früh die kaukasische Traumrakete beschaffen, sonst wird’s nichts mit der nukleare Abschreckung, dem heute hochgelobten und vielbeschworenen Gleichgewicht des Schreckens. Putins Nuklearmacht kann nach dieser Lesart (nur) von einem atomaren Erstschlag abgehalten werden, wenn er weiß, dass die Guten, also wir, selbst nach einem nuklearen Erstschlag noch vernichtend zurückschlagen können. Dann bleibt von der Maaß bis an die Kreml nicht viel übrig.

Kinschal, wie der traditionelle Dolch der Tscherkessen, heißt die neue Hyperschallrakete der russischen Wehrmacht: 8 Meter lang, zehnfache Schallgeschwindigkeit, Reichweite 2000 km (Moskau – Möhringen), immer manövrierfähig, katastrophal in der Wirkung: Abschrecken? Nachmachen!
Die Hyperschall-Waffentechnik gilt als der größte ‘Fortschritt’ in der Raketen-technologie – und wer wär’ schon gern gegen Fortschritt? Das Gefährliche an Putins Wunderwaffe ist Putin selbst – nebst nuklearer Teilhabe.

Einerseits. Andererseits steht uns selbst ja das Wasser bis zum Hals. Dieser Tage feierten die Medien “Unser Wasser”. Weil nach geheim gehaltenen Studien im stinknormalen Leitungswasser inzwischen fast ebenso viel Mikroplastik rumschwimmt wie im echten Menschenblut, muss man beim Wassertrinken heute genauso aufpassen wie beim Wasserlassen. Neue Daten der Satellitenmission “Grace” zeigen aber vor allem, dass unser Wasser knapper wird, viel knapper. Niedersachsen (SPD-regiert) und Baden-Württemberg (grün-schwarz) drohen in absehbarer Zeit dramatische Wasserverluste, aber keiner will’s wahrhaben: Die Ministerien und Fachschaften landauf-bundab arbeiten immer noch nach Studien von vor-vorgestern, als der Klimawandel noch nicht erfunden war. Wahr ist: Seit der Jahrtausendwende verliert Deutschland 2,5 Kubik-Kilometer Wasser jährlich – der bundesweite Verlust der vergangenen 20 Jahre entspricht damit der gesamten Wassermenge des Bodensees. Es wird halt wärmer auf der Erde, das führt komischerweise zu mehr Verdunstung, also zu Wassermangel. 

Meine Omi Glimbzsch aus Zittau fragte mich neulich, ob es auch wieder mal mal kälter wird. “Das wirschte nich mehr erlebn!”, drohte ich ihr. 

Angesichts derart schlechter Nachrichten könnte man zu Apollinaris greifen (gehört den Wasser-Plünderern Nestle) oder, wenn’s zu trocken wird, den Kopf in den Sand stecken, bis die Zähne knirschen. Kein Problem, weil wir uns ja so oder so bis an die Zähne bewaffnen sollen, dem Emir von Katar die Füße küssen müssen – und wieder beten lernen, daß der liebe Gott Tschernobyl und die 20 anderen Atomkraftwerke in der Ukraine vor russischen Rakete bewahren möge. Neckarwestheim sowieso.

Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de

 

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