Laufzeitverlängerung: AKW-Weiterbetrieb nicht genehmigungsfähig 

BUND legt aktuelle Studie zum Sicherheitszustand der laufenden Atomkraftwerke vor

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine stellt Deutschland vor große Herausforderungen bei der Energieversorgung. Aus der Debatte um Gasengpässe und kalte Wohnungen ist ein Szenario um einen drohenden Stromengpass geworden, in dessen Folge der Weiterbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke (AKW) debattiert wird. Dabei sind die sicherheitspolitischen Fakten für die Befürworter dieser Idee eine vernachlässigbare Größe.

Allerdings: Eine aktuelle Sicherheitsstudie im Auftrag des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zeigt, dass ein Weiterbetrieb aufgrund ungeklärter Sicherheitsfragen nicht genehmigungsfähig ist.
Die Forderungen nach einem Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke sind populistisch. Energie aus Atomkraft ist unsicher, unrentabel und unnötig“, erklärt Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender. Wer angesichts der drohenden Gasengpässe behaupte, nur mit Atomkraft einen warmen Winter ermöglichen zu können, führe eine Scheindebatte und rechne die Leistungsfähigkeit der AKW schön.
„Sowohl die Opposition als auch die Regierungsparteien stellen leichtfertig den vor elf Jahren von einem breiten Konsens getragenen gesamtgesellschaftlichen Vertrag zum Atomausstieg zur Disposition. Damit riskieren sie auch die Verlässlichkeit und Tragfähigkeit langfristiger politischer Entscheidungen in diesem Land. Einige Grüne PolitkerInnen stellen mit ihrer Öffnung für verlängerte Atomlaufzeiten den Gründungskonsens der Grünen in Frage.“ Am eigentlichen Sachverhalt habe sich seit dem Atomausstiegsbeschluss 2011 nichts geändert, so Olaf Brandt.

Die AKW sind heute elf Jahre älter und haben allesamt eine Betriebsdauer von 30 Jahren weit überschritten. Oda Becker, Diplom-Physikerin und Expertin für Risiken von Atomanlagen, führt mit Verweis auf die aktuelle Studie aus: „Die AKWs Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2 sind seit 13 Jahren nicht mehr umfänglich sicherheitstechnisch überprüft worden. Die letzte periodische Sicherheitsprüfung, die mindestens alle 10 Jahre erfolgen, fand 2009 und nach Sicherheitsanforderungen aus den 1980er Jahren. Dass die Atomaufsicht auf dieser Basis Laufzeitverlängerungen ohne umfassende Sicherheitsüberprüfungen genehmigt, ist aus fachlicher Sicht nicht vorstellbar. Denn ein sicherer Betrieb der Reaktoren nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik ist nicht gewährleistet.“

In der aktuellen Auseinandersetzung rächt sich jetzt, dass jahrzehntelang auf fossile Brennstoffe gesetzt wurde und der Ausbau der Erneuerbaren Energien vernachlässigt oder verhindert wurde. Angela Wolff, BUND-Expertin für Atom- und Energiepolitik, erklärt: „Diese Debatte ist der letzte verzweifelte Versuch von CDU und CSU, die Atomenergie in Deutschland am Leben zu halten. Die Unionsparteien haben die Energiewende jahrelang massiv blockiert und Deutschland mit ihrer reaktionären Energiepolitik weiter in die fossile Abhängigkeit gedrängt. Und auch jetzt in der Krise fällt den beiden Parteien nichts Besseres ein als der energiepolitische Rückwärtsgang. Dabei können die AKW weder die Gaskrise lösen, noch spielen sie mit einem Anteil von insgesamt lediglich fünf Prozent im Strommix eine wesentliche Bedeutung für die Stromversorgung.“

Aktuell produzieren die deutschen AKW ihren Strom rechnerisch allein für den Export nach Frankreich, wo seit etwa einem halben Jahr die Reaktorflotte stillsteht. Dort zeigt sich das ganze energiepolitische Dilemma der Atomkraft-Nutzung. „Atomkraft bietet weder Versorgungssicherheit noch schafft sie Energieunabhängigkeit von Russland“, so die BUND-Expertin weiter. „Vielmehr hat die verstaatlichte russische Atomindustrie Europa und die USA als Lieferant von Uran und Nukleartechnik so fest im Griff, dass diese es sich bislang nicht leisten konnten, im Atomsektor Sanktionen gegen den Aggressor zu verhängen.“

Der BUND fordert einen konsequenten und naturverträglichen Ausbau der Erneuerbaren und schnelle sowie sinnvolle Energiesparmaßnahmen. Eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten werde der BUND nicht tatenlos hinnehmen und rechtliche Schritte prüfen.

Weitere Informationen:
BUND-Sicherheitsstudiewww.bund.net/sicherheitsstudie
Faktenblatt: 10 Gründe gegen Laufzeitverlängerung: www.bund.net/laufzeitverlaengerung
Uran-Atlas: https://www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/uranatlas-2022/
Faktenblatt: Atomkraft und die Abhängigkeit von Russland: https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/atomkraft/atomkraft_Uranatlas_Faktenblatt_Russland_2022.pdf

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