Wohnzimmerkonzerte im Stadtbezirk  ( 1 )

Novemberwetter

Von Dieter Radüchel

Draußen stürmte es. Der Wind trieb den Regen und die  Blätter vor sich her.

Es war Anfang November. Arno lag auf dem Sofa und las einen nicht sehr aufregenden Krimi. Aber trotzdem, drei Seiten vor dem Ende, wollte er wissen, wer dem äußerst unsympathischen Grafen das Tranchiermesser in den Rücken gestoßen hatte. Gerade da schellte sein Telefon. Heiko natürlich.„Hallo Arno, hast du heute schon aus dem Fenster geschaut?“

„ Nee, warum?“

„ Schauriges Novemberwetter, grau, nass und kalt. Bei dem Wetter kriege ich immer meine Depressionen und meine, die Welt geht unter.“

‚ Für diese Gedanken ist der Herbst nicht unbedingt nötig‘, dachte Arno, ‚die täglichen Nachrichten reichen völlig.‘ Aber er sagte: „ Mensch Heiko, so kenne ich dich doch gar nicht, versuche positiv zu bleiben. Der November geht auch vorüber.“

Dezember war, das wusste Arno, für Heiko kein Freudenmonat, jedenfalls Weihnachten nicht. Er hatte keine Verwandtschaft oder zumindest wusste Arno von keiner. Er kannte Heiko nun schon lange und wusste, wie er ihn wieder auf den Pfad des Optimismus führen konnte: „ Wir sollten mal wieder ein Bier zusammen trinken, morgen, in unserer Lieblingsgastronomie und ein bisschen über die Bahn herziehen, das heitert auf.“

Heiko war einverstanden, aber da fiel Arno noch etwas ein. „ Ich habe da eine Idee, um den trüben November noch etwas bunter zu gestalten: In Mengede hängen Plakate, die für nächsten Freitag ein Konzert ankündigen: Chrissie and Eve, zwei Musikerinnen, die hier erstmals auftreten.“

„ Kenne ich nicht,“ meinte Heiko.

„ Ich auch nicht, die haben wohl bisher im verborgenen gewirkt und fühlen sich jetzt bereit, den Schritt auf die große Bühne zu wagen. Hier in Mengede spielen sie vor kleinem Publikum – eine Art Probekonzert – bevor ihre Deutschlandtournee beginnt. Das Abschlusskonzert findet dann im Mai im Westfalenstadion statt.“

„ Wow, Open- Air“, kommentierte  Heiko bewundernd, aber was für Musik machen die denn, was Rockiges?“

„ Nicht direkt Rock, aber Barock“, klärte ihn Arno auf.

„ Aha“, sagte Heiko, „ Bar-Rock, scheint was Neues zu sein, hört sich aber interessant an.Sind die sehr laut?“

„ Nein, glaube ich nicht“, beruhigte ihn Arno, „ das Café ist nicht sehr groß, da müssen sie sich zurückhalten.“

„ Und wo genau findet das statt?“ wollte Heiko wissen.

„ Im kleinen Café an der Heimbrügge. Il zepelino oder so ähnlich. Ich bin da vorgestern mal auf einen Kaffee reingegangen. Die Inhaber sind Sandra und Marco. Kommen aus Italien, sprechen ein ausgezeichnetes Deutsch, scheinen schon lange hier zu sein. Sind sehr freundlich, sehr gemütliche Atmosphäre. Du wirst gleich geduzt. Und da läuft der Ramazotti!“

„ Oh, lecker“, freute sich Heiko, „ den trinke ich gerne“.

„ Nee, es geht um Eros Ramazotti, der läuft da wohl öfter. Wird bestimmt ein netter Abend.“

„Alles klar, wenn du die Karten besorgst, komme ich mit.“

„ Mach ich“, sagte Arno, „ dann erstmal bis morgen auf ein Bier.“

„ Oder zwei,“ korrigierte Heiko und dann legten sie auf.

 

Nachtrag
Viele künstlerisch aktive Menschen – im Stadtbezirk Mengede und darüberhinaus – fühlen ich derzeit von der Politik vergessen. Die gesellschaftliche Debatte wird von Zukunftsängsten dominiert – die Stimmung geht zunehmend in den Keller. Dabei gibt es hinreichend Möglichkeiten, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Eine davon ist die in letzter Zeit häufiger praktizierte Idee, Wohnzimmerkonzerte zu veranstalten. Wohnzimmerkonzerte haben mehrer Vorzüge: Es gibt kein Schlangestehen, kein Gedränge, keine Mondpreise für Getränke – nur gute Bekannte und tolle Livemusik.
Im Stadtbezirk hat es in den letzten Tagen zwei gelungene Wohnzimmerkonzerte gegeben, zwei weitere werden in der Vorweihnachtszeit folgen. Über alle vier – möglicherweise auch über weitere – wird  MIT berichten.
Den heutigen Bericht verdanken wir Eva Latterner – eine der freien Autorinnen von MIT. Sie schreibt zu dem vorstehenden Beitrag „Nomberwetter”: Vor einigen Monaten hatten meine Mitspielerin/ Freundin und ich die Idee zu einem kleinen Flötenvorspiel. Wir haben fleißig geprobt und fanden dank der liebenswerten Wirtin in dem kleinen Café Il Cestino den idealen Ort für diese Aufführung im engsten Freundeskreis.
Das haben wir nun kürzlich mit viel Spaß und noch mehr Lampenfieber hinter uns gebracht. Und daraus ist die vorstehende Geschichte von Dieter Radüchel entstanden. (K.N.)

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