China bebt – Eine Kolumne von Peter Grohmann

China bebt

Von Peter Grohmann

Die Welt jubelt: In China wird demonstriert! Gegen Xi (für meine alten China-Freunde: 習近平 / 习近平), gegen die korrupten und anderen Kommunisten, gegen den Kapitalismus, für Menschenrechte. Steht auf, rufen die Demonstranten, steht auf, rufen auch die Demonstrantinnen! Alle, die keine Sklaven mehr sein möchten, rufen sie, steht auf! Erhebt Euch!

Normalerweise stehen meisten Massenmedien unseres Vaterlandes und die ihnen unterstellten Regierungen derartigen Forderungen eher skeptisch gegenüber. Eine Demo muss angemeldet und genehmigt werden, glauben sie. Aber Glauben ist nicht Wissen: Bei uns haben nämlich alle Deutschen das Recht, sich jederzeit ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln – und das auch noch ungehindert durch die Polizei!

Meine Omi Glimbzsch aus Zittau (Ex-DDR) hat seinerzeit das (für sie neue) Gesetz sofort angesprochen und motiviert! 1993 ist sie Hals über Kopf von Zittau nach Bischofferode aufgebrochen – nur das Grundgesetz unterm Arm und ein kleines Vesper dabei – um sich dem Hungerstreik der Kalikumpel anzuschließen und mit denen das rentabel arbeitende Kali-Werk zu besetzen und die Arbeitsplätze zu erhalten. Heute wissen wir: Das Kali-Kartell hat gesiegt, das Grundgesetz nischt genützt und die Omi verloren. Ja, dr Deufl is halt n Aischhörschen, wie man in Sachsen sagt (Dr Deifl isch a Eichhörnle).

Wir alten Sklavenhalter tun uns natürgemäß schwer mit demokratischen Rechten, können uns aber unisono gern der Forderung an die Menschen in Kuba, Moskau und Shanghai anschließen: “Steht auf! Alle, die keine Sklaven mehr sein wollen!” Hinzufügen müßte man: Aber klebt euch bloss nicht an! Das Beispiel könnte Schule machen, Weihnachtsmärkte stören und die blühenden Landschaften absterben lassen. Die ersten Blätter fallen längs.

Es gibt eine weitere Forderung, die im Weihnachtstrubel unterzugehen droht: Kriegsverbrecher bestrafen! Aber wie? fragt die Welt. Fragt uns, sag’ ich da! Bei uns wurden nach dem wieder verlorenen Weltkrieg Zwo die alten Kriegsverbrecher einfach in die Demokratie integriert – das war für sie Strafe genug. Sie wurden wieder Generäle, Richter, Staatsanwälte, wurden Berater, Minister, Staatssekretäre, übernahmen Medienhäuser, Konzerne, Banken, Bundestagsmandate, Verbände, Heilanstalten, ja ganze Kirchen!

Und? fragen Sie jetzt vielleicht. Was soll’s? Schwein gehabt! Wir haben geerbt! Alles. Auch das von den Juden. Und Togo bleibt deutsch.

Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de

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