Denkmal des Monats Juni 2023

Historisch und fortschrittlich zugleich –

Foto der Außenfassade von Haus Wenge; Quelle: Günther Wertz


Haus Wenge in Lanstrop

Seit April 2023 hat Haus Wenge in Lanstrop einen neuen Nutzer. Das alte Herrenhaus dient nun nicht mehr zum Wohnen, sondern als Bürger- und Kulturzentrum. Anlass genug für die Denkmalbehörde Dortmund, das Gebäude selbst und seine Geschichte als Denkmal des Monats Juni 2023 vorzustellen.Die Ursprünge eines besonderen Hauses
Das Haus Wenge hat schon vieles erlebt und erzählt auch davon – wenn man nur genauer hinsieht. Seine erste bekannte urkundliche Erwähnung erfuhr der Herrensitz in der „Großen Vogteirolle“ des Grafen Friedrich von Berg-Altona-Isenburg um 1220. Darin wird das Haus Wenge als Lehen der Herren von Volmarstein genannt. Seinen Namen erhielt es von der Adelsfamilie von der Wenge (in der älteren Schreibweise von der Wheynge), deren Sitz hier 1313 erstmals urkundlich erwähnt ist. Im Jahr 1373 gingen mit dem Besitzübergang des Hofes Lanstrop an Goswin und Johann von der Wenge die Vorrechte des Schultenhofes auf Haus Wenge über. Im Kaufvertrag waren neben dem Umfang des Besitzes auch die damit einhergehenden Rechte des Hofes aufgeführt – die von immenser Bedeutung sind: Der Inhaber des Hofes hatte nun die Hofgerichtsbarkeit inne und ihm oblag die Verwaltung der Allmende mit den von den Bauern des Dorfes Lanstrop zu bewirtschaftenden Feldern, Weide- und Waldflächen. 1378 wurde die außerordentliche Stellung des Schultenhofes mit dem Übergang der Lehnsherrschaft der Herren von Volmarstein auf die Lehnnehmer von Haus Wenge gefestigt. Später erfolgte inmitten des Dreißigjährigen Krieges zudem die Übereignung des Gutes Bönninghausen als größter Teil des Lanstroper Grundbesitzes an die Familie von der Wenge.

Der Besitz der Familie wuchs in den folgenden Jahrhunderten durch Heirat und Ankauf um weitere Güter an, bis schließlich im 18. Jahrhundert die Ländereien des Hauses Wenge in einem Erbstreit mit der Familie von der Recke in Kurl aufgeteilt wurden. Mit dem Tod von Wilhelm Freiherr zur Wenge im Jahr 1880 endete die Stammlinie von der Wenge.

Zeitzeuge der Weltgeschichte
Im spanisch-niederländischen Krieg (1568-1648) wurden während des sogenannten „Spanischen Winters“ um den Jahreswechsel 1598/1599 die rheinisch-westfälischen Gebiete der Grafschaft Mark durch das spanische Heer besetzt. Die spanischen Truppen eroberten Stadt für Stadt, sie plünderten, raubten und brandschatzten. Auch das Haus Wenge wurde zerstört. Auf den erhaltenen Grundmauern baute die Familie von der Wenge ihr Haus wieder auf und verzichtete bewusst auf neuere Stilmittel an den Fassaden. Auf diese Weise präsentiert die äußere Gestaltung mit Stufengiebel und Steinkreuzfenster aus hellem Sandstein den Zeitgeist des Vorgängerbaus in gotischer Formensprache. Die Innenstruktur folgte hingegen der damals zeitgemäßen Mode des Barocks. Anstatt des Kammersystems der Gotik gliederte sie die Grundrisse im Sinne des Frühbarocks in kleinere, wohnlichere Räume, die sogenannten Kabinette, die ein Mittelgang erschloss. Diese Innengliederung, die ihren Ursprung im französischen Schlossbau hatte, ist bis heute weitgehend im Obergeschoss von Haus Wenige erhalten.

Bedeutungsvoll ist der in tradierter Zimmermannstechnik erbaute Dachstuhl aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg, der sich – einzigartig in Westfalen – über 25 Meter lang, ohne Stützen frei trägt.

Mit der Übernahme seinerzeit überkommener Formen im Äußeren und der aufwendigeren, zeitgemäßen Binnengliederung stellt Haus Wenge eine Besonderheit unter den westfälischen Adelshäusern im Lippegebiet dar. Auf den Urkatasterplänen von 1827 kann man außerdem eine Vorburg mit Wirtschaftsgebäuden erkennen, die auf einer gesonderten Insel innerhalb des Gräftensystems lag. Der größte Teil dieser Wirtschaftsgebäude ging um die Mitte des 20. Jahrhunderts in Flammen auf. Ab 1962 trug man dann alle Nebengebäude einschließlich der im 19. Jahrhundert errichteten Kapelle ab, da diese als nicht erhaltenswürdig befunden wurden. Nur die Intervention des Landeskonservators konnte auch noch den Abbruch des Herrenhauses abwenden. Jedoch musste dieses infolge von Bergsenkungen durch den Bergbau der Zeche Gneisenau mit Stahlbeton-Ringankern unter Bodenniveau gesichert werden.

Im Laufe der Jahre summierten sich die Schäden am Herrenhaus. Unsachgemäße Reparaturen in früherer Zeit führten zu Feuchtigkeitsbildungen in den aufsteigenden Außenwänden. Die hölzernen Balken und Decken von Keller und Dachstuhl leiden unter Schädlingen wie Käfern und Pilzen. Die Schädlingsbekämpfung im Keller in Form einer Begasung ist für September 2023 vorgesehen, wenn sich die Nagekäfer im Larvenstadium befinden und mit größerem Erfolg bekämpft werden können. Die Dachkonstruktion wurde im November und Dezember 2022 denkmalgerecht instandgesetzt. Schadhafte hölzerne Bauteile wurden ausgetauscht, Verbindungen wie Zapfen und Holznägel mit traditionellen Zimmermannstechniken wieder hergestellt und Zuganker eingebaut. Nach diesen durchgeführten Sanierungsmaßnahmen ist der Dachstuhl nun wieder standsicher. Kein Mangel im eigentlichen Sinne sind die einfach verglasten Fenster. Hier ist der Einsatz aus Gründen des Wärmschutzes von Kastenfenstern hinter den originalen Außenfenstern vorgesehen.

Vom Adelssitz zum Kulturzentrum
Bis 2014 war Haus Wenge zunächst von seinen Erbauern und deren Erben, später auch von Mietern bewohnt worden. Um das nun längere Zeit leerstehende Haus zu erhalten und mit Leben zu füllen, hat sich der Verein „Haus Wenge Lanstrop e.V.“ gegründet. Der Verein möchte das alte Herrenhaus mit seinen umgebenden Grünflächen zu einem Bürgerzentrum und als Begegnungsstätte für Kunstausstellungen, Konzerte, Vorträge und Seminare nutzen. In einem Raum sollen sich Hochzeitspaare in besonderem Ambiente trauen lassen können.

Um Haus Wenge für die neue Aufgabe nutzbar zu machen, sind nicht nur die festgestellten Baumängel zu beheben. Weitere Anforderungen sind zu lösen. Beispielsweise möchte der Verein bei den Kulturveranstaltungen ein Publikum von hundert und mehr Menschen ansprechen. Dafür müssen neue statische Bedingungen geschaffen werden, weil Decken und Böden ursprünglich nicht für solch eine Belastung ausgelegt waren. Andere Forderungen stellt der Brandschutz, der wesentlich umfangreicher sein muss als bei einem reinen Wohngebäude. Neben der Aufbereitung der Fenster zur Entfluchtung sind beispielsweise auch rauchdichte Türen einzubauen. Insgesamt müssen alle Beteiligten komplexe Fragen abwägen, um trotz der Anforderungen für die modifizierte Nutzung nichts von der originalen Bausubstanz und der Charakteristik des Baudenkmals zu opfern, die Haus Wenge zu einem einzigartigen Zeugnis adligen Bauens und Wohnens um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert machen.

Quelle: Pressestelle der Stadt Dortmund; zur Vergrößerung des Fotos dieses bitte anklicken!

Kommentare sind geschlossen.