Der Rheinische Adel oder die größte Völkermühle Europas

Eine literarische Antwort von Carl Zuckmayer auf Rassenideologien und Remigrationsforderungen

Von Diethelm Textoris

In dem Bühnenstück „Des Teufels General“, das eindrucksvoll mit dem unvergessenen Curd Jürgens verfilmt wurde, wirft Carl Zuckmayer einen Blick auf das Rheinland und lässt seinen Protagonisten General Harras herausstellen, dass dieses im Lauf der Geschichte Drehscheibe, Durchzugsgebiet, Asyl und Handelsroute für die Völker Europas war.

Und dass gerade dieser intensive Austausch Großes hervorgebracht hat. Das ist die Antwort von Harras auf die Probleme des jungen Fliegerleutnants Hartmann mit seinem Ariernachweis und die Angst des jungen Rheinländers, nicht reinrassig zu sein.   

„Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenreihe vor – seit Christi Geburt. Da war ein römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht. Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet. – Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein desertierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder Müllerbursch vom Elsass, ein dicker Schiffer aus Holland, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant – das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt – und – und der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven und der Gutenberg, und der Matthias Grünewald, und – ach was, schau im Lexikon nach. Es waren die Besten, mein Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt haben. Vermischt – wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen. Vom Rhein – das heißt: vom Abendland. Das ist natürlicher Adel. Das ist Rasse. Seien Sie stolz darauf, Hartmann – und hängen Sie die Papiere Ihrer Großmutter in den Abtritt. Prost.“

Das sind die Worte eines Dichters, der aus rassistischen Gründen selbst seine Heimat verlassen musste, und mit Blick auf die Vergangenheit aus tiefsten Herzen ein Bekenntnis zur Vielfalt abgibt. Der Kölner Kabarettist Jürgen Becker stellt in diesem Zusammenhang fest, dass das berühmte Wasser im Rhein auch nur zum geringen Teil aus seiner Quelle, aber zum größten Teil aus seinen Nebenflüssen kommt. All das könnte man Menschen mit diffusen Ängsten vor Überfremdung, mit ideologischen Forderungen nach Reinerhaltung der Rasse und  Sorgen um die deutsche „Leitkultur“ entgegenhalten. Zu befürchten ist allerdings, dass man sie bei zugehaltenen Ohren und aufgesetzten Scheuklappen eher nicht erreicht.

Übrigens: Mein Vater stammt aus dem Rheinland, meine Mutter aus Westfalen. Deren Eltern waren ein Bergmann aus dem Ruhrgebiet, der als linker Kämpfer im Ruhrkampf vor den Freikorps fliehen musste und in seinem Versteck auf dem lippischen Bauernhof die Magd Luise, meine Großmutter, kennenlernte. Soviel zu meiner adligen Abstammung.

Info: 
Carl Zuckmayers Vater war der Besitzer einer kleinen Fabrik bei Mainz. Seine Mutter stammte aus einer jüdischen, zum Katholizismus übergetretenen Familie. Er nahm seit 1914 als Freiwilliger am ersten Weltkrieg teil. Seine Schulzeit war wenig erfolgreich, nach einem Notabitur begann er ein Studium, wandte sich dann aber dem Theater zu. In Berlin gelang ihm 1925 mit seinem Volksstück “Der fröhliche Weinberg” der Durchbruch. Mit dem “Schinderhannes” und vor allem dem “Hauptmann von Köpenick” wurde er der meistgespielte Autor vor 1933. Für den weltberühmten Film „Der Blaue Engel“ mit Marlene Dietrich schrieb er das Drehbuch auf der Basis des Romans „Professor Unrat“ von Heinrich Mann. Seine Werke wurden von den Nazis verboten. Über Zürich floh er in die USA. Nach dem Krieg kehrte er nach Europa zurück und erwarb die Schweizer Staatsbürgerschaft.

Mehr über sein Leben erfährt man  in seiner Autobiographie „Als wär’s ein Stück von mir“. 

 

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