Buchempfehlung des Monats

Mario Lars: Bücher

Raynor Winn:   Wilde Stille

Raynor und Moth Winn haben eine feste Wohnung gefunden. In den zu einer umgewidmeten Kirche gehörenden Wohnräumen können sie für wenig Geld bleiben. Sie finanzieren sich fürs Erste durch einen Studienkredit, den der Mittfünziger für sein spät begonnenes Studium im Bereich Umwelttechnik bekommt. Eine unheilbare neurogenerative Erkrankung beeinträchtigt ihn nicht nur körperlich. Voller Sorge beobachtet Raynor, wie ihr Lebenspartner schrittweise seine Fähigkeiten verliert.

In den vorangegangenen Jahren haben die beiden zwei Kinder aufgezogen und ein gutes Leben in einem wunderbaren Haus gelebt.
Eine geschäftliche Auseinandersetzung mit einem Freund endete mit dem Verlust ihrer Lebensgrundlage durch Zwangsräumung. Obdachlos und unmittelbar mit der vernichtenden Diagnose Moths konfrontiert, beschloss das dem Land, den Bergen, der Küste, der Landschaft Großbritanniens eng verbundene Ehepaar einen Fernwanderweg zu gehen – ohne Geld, ohne feste Unterkunft. Auf dem South West Coast Path besserten sich Moths Symptome gegen jede ärztliche Voraussage bis fast zur Beschwerdefreiheit. 

Doch als er abgeschnitten von der Natur nun sogar beginnt, seine Erinnerung an diese wunderbare Zeit zu verlieren, schreibt Raynor die Geschichte ihrer Wanderung auf. Das Buch wird ein Riesenerfolg (unter dem Titel „Der Salzpfad“ ein Spiegel-Bestseller), was nicht nur die finanzielle Situation deutlich verbessert, sondern auch zum Kontakt mit dem Eigentümer einer heruntergekommenen Apfelfarm führt. Das Ehepaar nimmt das Wagnis auf sich, diese wieder in Schwung zu bringen, und lebt nun wieder in engem Kontakt zum Land, das der Schlüssel für die Verbesserung von Moths Situation war und ist. Eine knochenharte Wanderung durch das herbstliche Island soll den Heilungsprozess forcieren.

Das Buch spricht grundlegende Themen an: Mut, Hoffnung, Lebensfreude in einer fast aussichtslosen Lebenssituation, Obdachlosigkeit, lebensverkürzende Krankheit, aber auch Freundschaft, Liebe und eine überwältigende Natur. Das sehr britische Buch, bei dem Wasser nicht nur auf Zweigen und Halmen glitzert, das Zelt durchfeuchtet und quasi in funkelnden Lichtkaskaden aus den Buchseiten dringt, stellt die ganz großen Fragen auf großer Bühne und in kleinsten Details. Furchtlos und realistisch beschreibt es gekonnt in Rückblenden und einer linearer Erzählhandlung das Leben in allen Facetten. Aufbau und Sprachkunst ermöglichen eine überwältigende Intensität dieser Lebensgeschichte.

Hella Koch – Buchhandlung am Amtshaus

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