Blüten, Kraut, Unkraut – alles essbar?

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Ungeahnter Nutzen von Stauden, Gehölzen, Rosen

Die Blüte eines Schnittlauchs: Nicht nur der Hummel gefällt das. Was sie mit Rosenblüten gemeinsam hat? Man kann sie essen!

 

2020 wird auf jeden Fall als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem viele Menschen dank der Coronabeschränkungen das Kochen wieder entdeckt haben. Was braucht es dazu? Frisches Obst und Gemüse sollten nicht fehlen, wenn die in der eigenen Küche frisch zubereiteten Menüs etwas hermachen sollen und Fertiggerichte aus der Mikrowelle in Sachen Geschmack keine wirkliche Alternative sind. Wer einen Garten oder Balkon zur Verfügung hat, könnte durchaus eigene Anbauversuche wagen.

Essbares selbst anzupflanzen, ist bereits seit einigen Jahren im Trend. Das Virus hat dazu beigetragen, diese Entwicklung voranzutreiben. Das hat schon im Frühjahr dazu geführt, dass viele Gärtnereien Lieferengpässe meldeten. Vor allem die Spezialisten können sich vor der Nachfrage kaum retten, wenn sie mehr bieten als die üblichen, jedes Jahr neu heranzuziehenden Kandidaten wie Tomate und Gurke, die jeder Supermarkt frisch bereithält oder die man als vorgezogene Jungpflänzchen auf dem Wochenmarkt und im Gartencenter kaufen kann. In ihren Online-Shops verkünden gerade die Produzent den ausdauernder Würzkräuter, alter Wildgemüse und Sträucher mit Früchten oder essbaren Blüten, ihre Kundschaft müsse sich wegen der großen Nachfrage auf längere Wartezeiten vorbereiten.

Einmal pflanzen, dann nur noch ernten

Der Waldgeißbart blüht nicht nur hübsch, sondern lässt sich auch mit einem Trick in einen Frühjahrsspargel verwandeln.

Dass die bisher hierzulande eher seltenen und wenig bekannten Gemüsestauden inzwischen zunehmend nachgefragt werden, mag auch darin begründet sein, dass sie sich leichter optisch in einen Hausgarten integrieren lassen als die üblichen, einjährig kultivierten Spezies. Anders als die pflegeintensiven Kandidaten wie Kohl und Kartoffeln brauchen sie keine Nutzgartenecke extra.und finden stattdessen Platz im Stauden- oder Rosenbeet; viele halten es sogar in schattigeren Lagen am Gehölzrand aus. Es gibt Arten, die im Frühjahr blühen, andere bringen das im Sommer oder im Herbst zustande; einige produzieren in der Zeit vom Frühjahr bis in den Spätherbst immer mal wieder neue Blüten. Das Besondere an diesem Blumenschmuck: Er bringt nicht nur Farben in den Garten, sondern schmeckt auch den Menschen.

Bärlauch in Blüte: Alles an dieser heimischen Wildpflanze ist essbar Und – einmal gepflanzt – wächst er ohne viel Pflege von allein..

Beispiele dafür finden sich in dem hier schon mehrfach vorgestellten, kleinen Hausgarten in Bodelschwingh, wo auch diesmal die Bilder entstanden. Der im Baumschatten oder Halbschatten im zeitigen Frühjahr austreibende Bärlauch mit seinem milden Knoblaucharoma gehört zu den ersten – inzwischen auch im Handel erhältlichen – Kräutern des Jahres. Ein kleines Bündel frischen Bio-Bärlauchs ist übrigens relativ teuer. Angesichts des unkomplizierten Anbaus der heimischen Wildpflanze lohnt es sich also doppelt, Allium ursinum ein Schattenplätzchen zu gönnen. Was nicht allen bekannt ist – auch die hübschen weißen Blüten sind ungiftig und dürfen gegessen werden. Das gilt übrigens für alle Blüten der Zwiebelverwandschaft, wobei einige der Allium-Ziersorten nicht besonders schmecken sollen.

Walderdbeeren, Himbeeren und die niedrige Polster-Glockenblume: das erste Obst im Garten mit essbarem Blütenschuck.

Das erste Obst wächst ebenfalls im lichten Schatten oder Halbschatten – und zwar als schnell raumgreifender Bodendecker, der sich aber notfalls schnell ausziehen lässt, wenn er zu sehr wuchert. Es ist die heimische Walderdbeere, die im Coronajahr 2020 im Mai und auch noch im Juni täglich eine Handvoll ihrer kleinen Früchte ablieferte. Was nicht sofort gegessen wird, lässt sich einfrieren. Aus den Blättern der Walderdbeere kann man Kräutertee machen.

Schönes im Schattengarten

Diese asiatische Riesenstaude lässt sich im Frühjahr gebleicht als Wildspargel zubereiten. Sie ist weitläufig mit Ginseng verwandt.

Gerade Gartenneulinge fragen sich oft, was Stauden eigentlich sind. Einfach gesagt: mehrjährige, krautige Gewächse. Sie verholzen nicht und ziehen meist im Winter ein, um erst im Frühjahr wieder auszutreiben. Manche von ihnen können recht alt werden, ähnlich wie Gehölze, zum Beispiel der Jahrzehnte überdauernde, heimische Wald-Geißbart mit seinen zierlichen weißen Blütenrispen. Die Triebe der botanisch Aruncus dioicus genannten, über meterhohen Schattenpflanze können durch einen einfachen Trick, nämlich mittels übergestülpter Töpfe, gebleicht und ähnlich wie Spargel nutzbar gemacht werden. In Italien sind die so behandelten Geißbartsprossen im Frühjahr eine geschätzte Gemüsespezialität. Danach ist Aruncus nicht mehr zu empfehlen; seine grünen Teile werden schnell hart und zäh. Er macht sich jedoch hübsch als unübersehbare Blütenstaude vor Sträuchern. Die Pflanze enthält geringe Mengen Blausäure, aber das Gift wird durch Kochen zerstört.

Dieser Topf mit Faun-Kopf verdunkelt ein paar Triebe des Wald-Geißbarts im Baumschatten.

Es gibt übrigens eine weitere sehr große, weißblühende, aus Asien stammende Staude, die ebenfalls im Frühjahr wie Wald-Geißbart gebleicht und kurz gegart gegessen werden kann. In Japan wird sie „Udo“ genannt; ihr botanischer Name ist Aralia cordata. Zu der großen Aralienfamilie gehört übrigens auch der Ginseng, der als Heilpflanze berühmt ist. Wahrscheinlich wird Aralia cordata deswegen auch der „Gemüse-Ginseng“ genannt. Die Bezeichnung „Japanischer Spargel“ ist etwas irreführend, denn Udo hat ein zartes, sellerieähnliches Aroma. In China wird die Art neben dem echten Ginseng auch für medizinische Zwecke genutzt. Wie der europäische Geißbart, braucht Aralia cordata mehrere Jahre, um richtig groß und prächtig zu werde. Beide Arten neigen nicht zum Wuchern; sie bleiben kompakt und säen sich selten aus.

Aus Wegwarte wird Chicoree

Dass Gemüse durch Bleichen zarter, schmackhafter und bekömmlicher gemacht werden können, wird in deutschen Gärten wenig genutzt. Dabei gibt es sogar extra für diesen Zweck hergestellte Bleichtöpfe. Sie sind eher hoch als breit, haben keinen Boden, weil sie über lebende Pflanzen gestülpt werden und einen abnehmbaren Deckel. Damit lässt sich kontrollieren, ob das gewünschte Ergebnis schon erreicht ist. Bleichtöpfe kann man auch selber machen. Mit einfachen Tontöpfen, Keramikkleber, bunten Scherben, Mosaik und Tonfiguren hat die Autorin dieses Beitrags ihrer Phantasie dabei freien Lauf lassen. Den Deckel zum Nachgucken braucht man nicht unbedingt, weil sich der Topf als Ganzes anheben lässt.

Durch den Abschluss vom Licht entwickeln Pflanzen kaum Chlorophyll, das heißt, die Blätter vergrünen nicht; gleichzeitig bilden sich aber auch weniger Bitterstoffe. So wird zum Beispiel der als Salat oder Gemüse beliebte Chicoree hergestellt. Dabei handelt es sich um das helle, zarte Blattwerk, das aus den in abgedunkelten Kühlräumen lagernden Wurzelrüben der gemeinen Wegwarte Cichorium intibus austreibt. Früher hatte man die Rüben der Wegwarte zur Produktion eines Ersatzkaffees benutzt. Im 19. Jahrhundert wurde die Möglichkeit der Chicoree-Treiberei entdeckt und nach und nach verfeinert.Die Wurzel wird von dem gebleichten, weiß-gelblichen Blattwerk abgeschnitten, bevor es in den Verkauf kommt. Heute werden spezielle Hybrid-Sorten der Wegwarte für die Produktion des Chicoree verwendet und

Topf-Hut verwandelt Löwenzahn

Diese Hand beschirmt Löwenzahn, um seine Verwandlung in Sommersalat voranzutreiben.

Was sich übrigens im Sommer als Salatpflanze zum Bleichen anbietet, ist der gewöhnliche, in fast allen Gärten vorhandene Löwenzahn. In Frankreich wird die zarte, weiße Version vor allem im Sommer verkauft. Auch sie ist deutlich milder im Aroma als die dunkelgrünen, bitteren Originalblätter des tief wurzelnden Wildkrauts.Um eine Salatschüssel voll zu kriegen, sollte man allerdings mehrere Löwenzahn-Blattrosetten abdunkeln. Ausprobieren lohnt sich. Wer es wagt, wird das bis dahin ungeliebte und oft verfluchte Gewächs ganz anders wertschätzen.

Allgemein gilt: Wer sonst über Gartenarbeit stöhnt, findet vielleicht Gefallen daran, seinen Blick zu schärfen und dazu zu lernen. Manches Gewächs, das sich niemand freiwillig in den Garten gepflanzt hätte wie die große Brennnessel Urtica dioica oder der alles überwuchernde und kaum entfernbare Giersch Aegopodium podagraria entpuppt sich als durchaus passable Küchenzutat. Nicht alles, was wild daherkommmt, ist nur Unkraut und taugt bloß dazu, ausgerissen und auf den Kompost verbannt zu werden. Jäten kann also gleichbedeutend mit Kräutersammeln sein.

Was du nicht kennst – Finger weg

Dass man sich allerdings mit dem wilden Grünzeug auskennen sollte, bevor man es in Salat oder Suppe schnippelt, kann nur immer wieder betont werden. Schließlich wachsen in Europa auch etliche ganz nett aussehende Pflanzenarten mit geradezu erschreckendem Giftgehalt.

Die breitblättrige Kresse war früher ein hierzulande häufiges Würzkraut. Es kann ähnlich wie die einjährige Kresse verwendet werden.

Die bekanntesten, in der Saison in jedem Supermarkt erhältlichen und beliebtesten essbaren Stauden sind Spargel, Erdbeeren und Rhabarber. Auch eine Reihe von Gewürzen gehört in die Kategorie ausdauernde Nutzpflanzen, beispielsweise die scharf würzige, früher noch in Gärten häufig angepflanzte breitblättrige Kresse Lepidium latifolium und der in NRW vom Aussterben bedrohte „Gute Heinrich“ Blitum bonus henricus, eine langlebige Staude mit ausgeprägtem Spinatgeschmack. Der auch Maggikraut genannte Liebstöckel Levisticum officinale ist eine hochwüchsige Pflanze mit einem feinen Selleriearoma.

Kaum jemand weiß, dass der in Europa auf armen Böden angepflanzte einjährige Buchweizen einen asiatischen, ausdauernden Cousin hat, bei dem nicht die Samen, sondern die Blätter genutzt werden. Fagopyrum dibotrys ist eine gut 1,60 Meter hohe Staude, die mit weißen Rispen blüht und deren Blätter sowohl als Salat wie auch als Gemüse verwendet werden können. Er hat sich in Dortmund als völlig winterhart erwiesen. Die Erfahrungen in Gebirgslagen und den neuen Bundesländern zeigen, dass der auch Riesenspinat genannte ausdauernde Buchweizen in kalten Wintern für eine Schutzabdeckung dankbar ist.

Alle Fotos© M. Zybon-Biermann

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