Advent in Coronazeiten ( 18 )

Weihnachtsstress

Von Heinrich Werbedes

Kurz vor Weihnachten. Anruf aus dem Büro!
Ehemalige Kollegin Britta: „Werbedes, du musst  mal wieder Lottogeld bezahlen! 64 Euro. Hast ein halbes Jahr nicht bezahlt!“ Ich habe einen Kloß im Hals und schlucke dagegen an. Dem Leser zur Erklärung: Bin vor 11 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand gegangen. Also jetzt Rentner, Pensionär oder Privatier, wie manche sagen. Privatier klingt ein wenig wie Schotter ohne Ende. Ich bezeichne mich lieber als Mäzen, Chauffeur, Butler oder Sklave meiner Großfamilie.

Trotz meines persönlichen Familienstress bin ich immer noch in unserer Lottogemeinschaft. Man weiß ja nie…  Ich bin der 18te von 18. Haben schließlich schon zwei Mal gewonnen. Jeweils 5 Richtige geteilt durch 18. Na ja!
Einmal durfte ich meiner Frau einen Herzenswunsch von dem Gewinn erfüllen. Wellness-Hotel Bad Lauterberg im Harz. Wellness ist ja nicht so mein Ding. Diverse Anwendungen und so. Meine einzigen Anwendungen waren, Teilnahme an der Happy Hour in der Hotelbar. Rückblickend hat es dort nach dem Pharaonenbad in Ziegenmilchbei meiner Frau schwer gescheppert. Sie roch so gut. Neun Monate später kam unsere Tochter zur Welt. Mengede hatte einen neuen Erdenbürger. Einen Sonnenschein.
Hach, waren wir da noch jung.

Zurück zum Telefonat mit Britta:“Werbedes…  Werbedes, bist du noch dran?“ „Ja“ antworte ich, „war nur gerade mit meinen Gedanken woanders.“  Jovial erkläre ich, meine Schulden zu bezahlen und sie in ihrem Briefkasten samt Umschlag zu deponieren. Keine persönlichen Kontakte in Coronazeiten ist meine Devise.
„Sag mal“, fragt sie neugierig, “Susanne und ich fragen uns gerade, wie alt du eigentlich bist? Dich darf man das doch fragen”, setzt sie voraus. „Warum wollt ihr das wissen? Will jemand ein Kind von mir? In Coronazeiten zeuge ich keine Kinder. Die haben doch bei Geburt alle Segelohren, weil wir ständig diese Masken tragen müssen.“ Sie lacht, wünscht mir ein frohes Fest und legt auf.

Möchte nicht falsch verstanden werden. Bin kein Coronaleugner, kein Verquerdenker. Schon gar kein durchgeknallter Rechter. Stehe mit beiden Beinen in dieser Welt. Manchmal neige ich zu Höhenflügen. Je nach Wetterlage, da ich selbst Segelohren habe.
Gerade fällt mir ein, dass ich immer noch nicht alle Weihnachtsgeschenke gekauft habe. Mein 7jähriger Enkelsohn wünscht sich ein Ausmalbuch mit dem Titel „Kackende Tiere“!! Meine Schwiegertochter meint „Ganz der Opa“. Doch diese Geschichte möchte ich nicht vertiefen. Das Buch gibt es übrigens wirklich zu kaufen.

Ich wünsche allen, die mich mögen, ein schönes Weihnachtsfest und ein besseres neues Jahr. Den anderen übrigens auch. Besonders den Leuten, die bei uns eine neue Heimat suchen, den Obdachlosen, den Hilfesuchenden, den Kranken und den Menschen, die am Rande unserer Gesellschaft stehen.
Ein Freund von mir hat mir ein Gedicht von Gotthold Ephraim Lessing geschickt, der von 1729 bis 1781 lebte. Ich meine, es passt immer noch und daher ist es  mein Weihnachtswunsch.

Recht sehr zu wünschen,

dass es in jedem Staate Männer geben möchte, die über die Vorurteile der Völkerschaft hinweg wären
und genau wüssten, wo Patriotismus Tugend zu sein aufhört.

Recht sehr zu wünschen,

dass es in jedem Staate Männer geben möchte, die dem Vorurteile ihrer angeborenen Religion nicht unterlägen;
nicht glaubten, dass alles gut und wahr sein müsse, was sie für gut und wahr erkennen.

Recht sehr zu wünschen,

dass es in jedem Staate Männer geben möchte, welche bürgerliche Hoheit nicht blendet und bürgerliche Geringfügigkeit nicht ekelt;
in deren Gesellschaft der Hohe sich gern herablässt und der Geringe sich dreist erhebet.

(In der heutigen Zeit würde Lessing vermutlich den Begriff Männer durch Menschen ersetzen.)

Euer

Heinrich Werbedes

 

Die Idee zu „Advent in Coronazeiten”
Die Pandemie hat uns immer noch im Griff… .
Wegen Corona fallen nicht nur sämtliche größeren Kulturereignisse aus, auch die vielfältigen Aktivitäten der örtlichen Vereine und Gruppen sind zum Erliegen gekommen und können praktisch durch nichts ersetzt werden. Aber mit Hilfe des Netzes können zumindest weitere solidarische Signale an die Menschen um uns herum versendet werden. MIT wird in der bevorstehenden Advents- und Weihnachtszeit  auf unterschiedliche Art und Weise versuchen, an dieser Stelle eine zusätzliche Plattform zum Info-Austausch zu bieten. Also: Wer Lust und Zeit hat, darf sich gerne beteiligen.
Es ist mit Sicherheit kein adäquater Ersatz für das soziale Miteinander,  für den Gedankenaustausch und das gemütliche Beisammensein. Aber sicher ist auch: Wenn wir durchhalten wollen, geht das viel besser gemeinsam. (K.N.)

 

 

 

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