Viele Obdachlose spurlos verschwunden – Eine Kolumne von Peter Grohmann

Viele Obdachlose spurlos verschwunden

Peter Grohmann

Nach den Flüchtlingen aus Lipa (dem Kaff auf dem Balkan) und Mario (Griechenland) sind jetzt auch Obdachlose spurlos von der Bildfläche verschwunden. Das irritiert unsereins, denn bereits im Vorjahr waren bekanntlich geschlagene Frauen und Kinder wie vom Erdboden verschluckt – mitsamt den Frauenhäusern. Nein, echt jetzt kein Anlass zur Aufregung! Und vor allem keine Angst: Ich mein’ das ja nur nur rein bewusstseinsmässig und medial.

Und haben wir nicht alle momentan ganz andere Sorgen? Denn Online war natürlich alles wie immer – nach ein paar Klicks hat selbst meine Omi Glimbzsch in Zittau alles aufgeklärt: Keine Katastrophen, nirgends eine größere Zahl von Toten oder Schwerverletzten. Richtig ist: Die Obdachlosenunterkünfte sind übers Wochenende nur manchmal zu – und leiden wie wir alle unter Corona. Positive müssen draußen bleiben. Aber wohin dann mit dem Hund? So mancher Obdach- oder Wohnsitzlose campt lieber auf einem verdreckten Parkdeck oder in einer Bahnhofsecke als im Zweitbettzimmer des Asyls, um das er kämpfen muss bis aufs Blut mit seiner Konkurrenz. Natürlich hat die Polizei in diesen Fällen ein Auge auf die Leute, die manchmal wie Du oder ich aussehen. Dann wird geräumt. Und so sind eben auch die Obdachlosen in dieser schönen Winterzeit fast komplett und spurlos aus unserem Bewusstsein und den Medien verschwunden – harte Leute, die selbst bei Minus 15 Grad überleben, aber nicht mehr da sind – ausgelöscht. Keine Zeile wert.

Aber was nun speziell die Frauen angeht, die Geschlagenen und Gedemütigten und Erniedrigten nicht gerechnet: Medial sieht’s da ebenfalls ganz schlecht aus. Fakt ist: Jeden dritten Tag wird eine Frau von ihrem Mann oder ihrem Partner getötet. Und statistisch gesehen wird jeden Tag versucht, eine Frau umzubringen. In den letzten Jahren haben Jahr für Jahr mehr als 30.000 von Gewalt betroffene Frauen und Kinder in Frauenhäusern Schutz gesucht. Genauere Zahlen gibt es nicht – es gibt kein Interesse an einer zentrale Datenerfassung. Vor 15 Jahren gab es eine einstimmige Empfehlung des Europarats, nach der es einen Frauenhausplatz pro 7.500 gemeldete Personen geben soll: Die Quote wird nur in den beiden ärmeren Bundesländern Berlin und Bremen erreicht. 

Mensch, Leute, wär’ das nicht Wahlprüfstein für die Frauenunion? Und bis dahin machen wir Selbsthilfe wählen die Nummer des Kältebusses: 0711/21 95 47 76 – auswärts einfach den Menschenwürde-Notruf 112.

 Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de

 

 

 

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