„Nein! zum Dicken Dören”

Gedanken zum Start des B-Planverfahrens am 19.4. 21

von Klaus Neuvians – Mitglied des Redaktionsteams von MIT

Am kommenden Montag, 19.4. ab 18.00 Uhr, findet die frühzeitige  Bürgerbeteiligung zur Aufstellung des Bebauungsplans „Im Dicken Dören“ und der 5.Änderung des Flächennutzungsplans (gem. § 3 Abs. 1 Baugesetzbuch) statt. Die Verwaltung der Stadt Waltrop möchte über die Ziele und Zwecke der Planung, alternative Planoptionen und voraussichtlich durch die Planung entstehende Auswirkungen unterrichten und die Möglichkeit zur Äußerung und Erörterung geben.
Coronabedingt findet die Veranstaltung digital statt. BürgerInnen, die an der Veranstaltung teilnehmen möchten, müssen sich vorher anmelden, und zwar bei:
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artina.dorkowski@waltrop.de (02309 / 930 312).

“An jedem Tag verbraucht Deutschland mehr als 50 Hektar.  Grund wird verbaut und besiedelt. Natur ausradiert.”

So titelte die Wochenzeitung  „der Freitag“ in ihrer Ausgabe zum Jahresende einen Beitrag über den ungehemmten und folgenreichen  Verbrauch von Flächen. In Bayern ist dieser Verbrauch besonders ausgeprägt, denn jeden Tag geht dort eine Fläche von knapp 11 ha Natur verloren. Diese Fläche – erheblich mehr,  als in anderen Bundesländern – entfällt zur Hälfte auf Wohnraum und jeweils  zu einem Viertel auf Gewerbe- und Industrieansiedlungen bzw. auf den Individualverkehr.
Auch wenn die Bayern mehr Flächen zur Verfügung haben als andere Bundesländer, handelt es sich auch dort um eine schleichende Umweltkatastrophe: Wertvoller, weil fruchtbarer Boden geht verloren, Lebensraum für Tiere und Pflanzen wird zerstört, so wird  der Verlust der Artenvielfalt nicht aufgehalten.

Dabei gibt es hinreichende Bemühungen, die Zerstörung der Lebensräume von Tieren und Pflanzen zu beschränken. So ist in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie festgelegt, den Verbrauch auf einen Wert von unter 30 ha pro Tag zu verringern. Ein ambitioniertes Ziel, das leider nur auf dem Papier steht, denn derzeit ist der Flächenverbrauch in Deutschland mit 56 ha pro Tag beinahe doppelt so hoch, wie die Zielmarke von 30 ha. Das Erreichen dieser Zielmarke war übrigens für 2020 angepeilt – soviel zur Ernsthaftigkeit bei der Umsetzung von Zielvorgaben. (Einzelheiten: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/eine-strategie-begleitet-uns/die-deutsche-nachhaltigkeitsstrategie

Häufig wehren sich Wirtschaft und Kommunen – wie wir hier vor Ort leidvoll am Beispiel des Planungsverfahrens für den „Dicken Dören“ erfahren – gegen verbindliche Zielsetzungen dieser Art, denn  sie setzen auf neue Gewerbegebiete, weil sie sich davon neue bzw. den Erhalt der vorhandenen Arbeitsplätze versprechen. (vgl. hierzu auch diverse Beiträge auf MIT zum Thema: „Nein! zum ‚Dicken Dören!‘)
In einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung hat der BUND  dazu allerdings festgestellt, dass diese Erwartungen in den wenigsten Fällen aufgeht. Im Gegenteil: Auf diesen neuen Flächen siedeln sich Einkaufsparks an, Logistikzentren und Discounter. Das dadurch erzeugte Verkehrsaufkommen führt zur zusätzlichen Belastung der Bevölkerung. 

Wie schwierig es ist, eine Politik umzusetzen, die den Bedürfnissen der Mehrheit entspricht, welche Hindernisse dabei zu bewältigen sind, kann am Beispiel „Verkehrswende” gezeigt werden. Die Beharrungskräfte gehen quer durch die Bevölkerung und die politischen Parteien. Es ist wahrlich genug gesagt und geschrieben worden, durch welche Maßnahmen auf den Bau neuer Straßen und Autobahnen verzichtet werden könnte. Selbst ein kleiner politischer Vorgang wie die Temporeduzierung auf Autobahnen hinzubekommen, übersteigt die Möglichkeiten bzw. die Bereitschaft politischen Handelns. Von daher sollten wir realistisch sein: Unter den Bedingungen der Wachstumsgesellschaft werden einfache Lösungen nicht durchgesetzt. Das gilt für die Verkehrswende, das gilt für den Klimawandel und das gilt für den Flächenfraß: Naheliegende Lösungen scheitern an den Privilegien derjenigen, die die Macht und die Mittel haben, diese Macht durchzusetzen.

Corona könnte ein Vorgeschmack auf die Klimakrise sein, die über die jetzige Pandemie weit hinausgehen wird. Es wäre daher dringend angebracht, von Corona zu lernen, wie wir uns auf künftige Krisen vorbereiten. Es wird in diesen Tagen wiederholt die Frage gestellt, ob unsere demokratische Gesellschaft überhaupt in der Lage ist, die notwendigen vorbeugenden Maßnahmen zur Bekämpfung künftig zu erwartender Krisen zu ergreifen. Da ist zurückzufragen: Wer denn sonst? Aber machen wir uns nichts vor: Die Klimavereinbarungen von Paris retten unseren Planeten nur dann, wenn die kleinen Stellschrauben vor Ort bewegt werden. Das sollten sich auch, und vor allem die beteiligten politischen Parteien am Ort des Geschehens „Dicker Dören“ vor Augen führen.

Die politische Ausrichtung der verantwortlichen Personen in Waltrop und in Dortmund spricht eigentlich für einen Kompromiss. Allerdings wollen die Waltroper derzeit nur noch über das „Wie“ diskutieren; die Dortmunder – vor allem das Aktionsbündnis „Nein! zum Dicken Dören“ haben sich ebenfalls klar positioniert. Für sie geht es um ein „Ob“ – und zwar von Anfang an.
Damit ist eine längere rechtliche Auseinandersetzung vorprogrammiert.
Der „Dicke Dören“ wird auch als Fallbeispiel eingehen für die Glaubwürdigkeit der politischen Akteure. Die Widersprüche dürften vor allem den „Grünen“ um die Ohren fliegen – egal, wann und wie der Streit entschieden wird: gerichtlich oder politisch!

Fotos: Archiv MIT

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