Udo Lindenberg – Zwei Tage Station in der Westfalenhalle

Udopium – eine grandiose Show für alle Sinne mit viel Raum für Gefühle und zum Nachdenken  

Es war eine Show der Superlative am vergangenen Dienstag und Mittwoch – 7.6. und 8.6.- in der Dortmunder Westfalenhalle. Abwechselnd mehr als 50 Akteure auf der weit in den Zuschauerraum reichenden Bühne. Ein kompletter Kinderchor, Musiker, Tänzer, Artisten und Statisten. Ein Mammutaufgebot an Technik mit einer riesigen LED-Wand im Hintergrund, Pyrotechnik und Konfettikanonen. Ganz vorne ein Mann, dem wir das alles zu verdanken haben: Udo Lindenberg.

Seit über 50 Jahren bringt er immer wieder neue Ideen ins seine Shows. Die der letzten Jahre sind bahnbrechend und werden auch von anderen Veranstaltern kopiert. Im Mai ist er 76 Jahre alt geworden. Doch sein Alter ist nur eine Eintragung auf dem Papier. 2,5 Stunden ständige Bühnenpräsenz, singend, tanzend oder besser gesagt tänzelnd, immer mal wieder die Jacke wechselnd und die Sonnenbrille abnehmend. Und die große Panikfamilie, wie er die Akteure auf der Bühne und die Zuschauer in der an zwei Tagen nahezu ausverkauften Westfalenhalle nennt, lädt er alle zu seiner Geburtstagstournee zum Hundertjährigen im Jahr 2046 ein. 

Zum Beginn die große Honky-Tonky-Show
Pünktlich um 20.00 Uhr geht das Spektakel los. Nebelkerzen, die Halle ist dunkel, die Leinwand, die in der heutigen Zeit aus gewaltigen Bildschirmen besteht, wird hell. Bilder wie aus einer fernen galaktischen Welt. Eine Kuppel öffnet sich, ein Raumschiff startet. Uhren die den Zeitverlauf anzeigen. Dann landet das riesige Flugzeug im Hintergrund der Bühne. Natürlich nur virtuell. Doch es gibt eine Öffnung. Udo steigt aus und betritt eine rote Gangway. Geht runter auf die Bühne. Ihm folgt …Udo. Dem folgen viele Udos. Seine Doubles. Hätte man wissen müssen. Die Nachtigall kann nicht nur wunderschön singen, sondern auch fliegen. Der echte Udo schwebt in einem Korb von der Hallendecke auf die Bühne. Die Honky-Tonky-Show beginnt. Wird besungen und betanzt, wilder animalischer Rock wie in alten Zeiten. „Die Mutter guckt alleine, Krimi oder Quiz, und die Tochter ist da, wo die Action ist.“ Na ja, so ganz stimmt das nicht. Jugendliche unter 40 sind in der Minderheit. Dafür rocken Mutter oder Vater, Oma oder Opa, evtl. mit ihren neuen PartnerInnen. Doch sie haben nichts verlernt. Kreischen, Klatschen, Mitsingen sind angesagt, wie eh und je.

Leidenschaftliche Appelle gegen Krieg und für den Frieden
Neben der Musik, die jung hält oder Empfindungen der Jungend wieder wach werden lässt, sind es die starken Texte, die fast alle von Lindenberg geschrieben wurden, oft im Alkohol- oder Drogenrausch, wie er verrät, die das Publikum ansprechen und bewegen. Mit seiner Entscheidung für deutsche und gegen englische Texte in seiner Rockmusik hat er den Zauber der deutschen Sprache wiederbelebt. Humorvoll und skurril wie bei Kästner oder Ringelnatz. Mitunter treiben sie sogar Tränen in die Augen, wenn nach 40 Jahren „Wozu sind Kriege da?“ wieder aktuell ist, wenn er zusammen mit einem Kinderchor zu einer neuen Friedensbewegung auffordert: „Komm wir zieh‘n in den Frieden.“-„Lass sie ruhig sagen, dass wir Träumer sind, am Ende werden wir gewinnen, wir lassen diese Welt nicht untergehn.“ Träumer, das ist er. Denkt sich ein „Udopia“ aus. Gleichzeitig Mahner: „Wir dürfen die Utopien niemals aufgeben, es geht um die Zukunft unserer Kinder, in der Ukraine, in Russland, in Deutschland und auf der ganzen Welt.“ 

Er ist auch auf der Bühne ein Mann der klaren Worte, mögen sie noch so genuschelt sein. Bei seinem Einsatz für Toleranz und Menschlichkeit scheut er auch Provokation und Sakrileg  nicht. Prangert die Missbrauchsfälle der Kirchen an. Traut auf der Bühne symbolisch zwei lesbische Nonnen und zwei schwule Priester und erklärt deren Ehe von Gott abgesegnet. „Gott hat die Liebe geschaffen und wir Menschen dürfen sie nicht kaputt machen.“ Die Frischvermählten küssen sich leidenschaftlich, die Kleider fallen und halbnackte Körper wirbeln auf der Bühne. Udo singt „Ich brech die Herzen der stolzesten Frau‘n“ mit der gleichen distanzierten Leidenschaft wie einst Heinz Rühmann, schwärmt bald darauf von der Bunten Republik Deutschland. Später im Programm eine tröstende christliche Botschaft mit seinen Worten: „Hinterm Horizont geht‘s weiter.“ Sein eigener Dialog mit dem Tod und das Bekenntnis: „Ich würde alles noch einmal genauso tun.“ Auseinandersetzungen mit „den neuen Nazischweinen“ und eine psychologischer Erklärung, wie aus Opfern Täter werden können. Ein paar nicht so bekannte Songs im Mittelteil, dann aber wieder die Gassenhauer wie „Andrea Doria“, „Reeperbahn“ und der „Sonderzug nach Pankow“, der ja schon zu einem zeitgeschichtlichen Dokument geworden ist. Immer begleitet von den hervorragenden Solisten des Panik-Orchesters, wobei Carola Kretschmer an der Gitarre wieder mehrfach unter die Haut gehende Soli-Passagen bietet.  

Zum Schluss noch ein paar von Udos leisen Liedern. El Dorado gehört dazu, mit der gewaltigen nächtlichen Kulisse von Las Vegas im Hintergrund. Mit Laserstrahlen, die in der Westfalenhalle ein goldenes Zwischendach einziehen. Ein großer Teil der Panik-Crew hat wieder das Flugzeug bestiegen. Udo ist zum Schluss mit ein paar Musikern allein auf der Bühne. Dann entschwebt er wieder zur Decke der Westfallenhalle. Donnernder Applaus und ein leiser Wiener-Walzer im Hintergrund als Rausschmeißer. 

Handy-Fotos: Diethelm Textoris. Zur Vergrößerung bitte die Fotos anklicken.

 

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