Die Verstorbenen von der Klosterstraße

Archäologen finden mittelalterliche Bestattungen und Überreste des Franziskanerklosters

Menschliche Bestattung im Innenraum der Kirche. Deutlich sind die angewinkelten Armknochen erkennbar. Offenbar hatte man dem Verstorbenen die Hände auf der Brust zusammengelegt.

Seit einigen Wochen wird für das neue klimafreundliche Fernwärmnetz der DEW21 im Bereich der Klosterstraße mit schwerem Gerät die Asphaltdecke geöffnet und ein neuer Schacht für die Fernwärmeleitungen erstellt, die ab dem kommenden Herbst die angrenzenden Häuser mit Wärme versorgen sollen. Wie bei allen Baumaßnahmen in der Innenstadt, finden die Arbeiten auf äußerst geschichtsträchtigem Boden statt.

So war es m Grunde nur eine Frage der Zeit, bis telefonisch die Nachricht kam: „Wir haben hier Bestattungen und Bruchsteinmauern in der Klosterstraße gefunden“. Grundsätzlich war die Meldung keine große Überraschung, denn mit der Christianisierung seit Karl dem Großen erfolgten die Bestattungen meist auf den an die Kirchen angrenzenden Kirchhöfen bzw. hinter den Klostermauern.

Die Knochen sind unterschiedlich gut erhalten.

Arbeiten an der Fernwärmeleitung ruhen
Seit der ersten Fundmeldung ruhen die Tiefbauarbeiten in dem Teilstück und die Archäologen konnten unter dem modernen Straßenunterbau und Schuttschichten in einer Tiefe von über zwei Metern die sterblichen Überreste von 13 Verstorbenen dokumentieren.
Zwischen bzw. über den Bestattungen verliefen zwei Bruchsteinmauern. Zwar ließen sich diese Gebäudestrukturen aufgrund des Trassenverlaufs nur ausschnittsweise dokumentieren, aber die Breite einer der beiden Mauern verriet: Es handelte sich nicht um das Mauerwerk eines Wohn- oder Wirtschaftshauses. Auch für eine Klostereinfriedung war die fast 1,60 Meter breite Mauer überdimensioniert. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Mauer zu der ehemaligen Kirche des Franziskanerklosters gehört haben. Die Verschneidung dieser archäologischen Befunde mit den historischen Karten bestätigt diese Vermutung. Demnach befinden sich die Bestattungen nicht nur auf dem Klostergelände, wie jene sterblichen Überreste, die im August 2020 an der Probsteikirche in der Schwarzen-Brüder-Straße gefunden worden waren, sondern sogar innerhalb des Kirchenschiffs. Eine besondere Überraschung.

Bestattungen besonderer Personen innerhalb der Kirche üblich
Obwohl bereits seit dem 6. Jahrhundert das Verbot von Kirchenbestattungen auf Synoden und Konzilen wiederholt wurde, fand die Umsetzung dieser Anordnungen im Alltag kaum eine Anwendung. Stattdessen „etablierte“ sich für Bischöfe, Äbte und würdige Priester das Recht auf Kirchenbestattung. Selbst für gläubige Laienstifter bestand die Möglichkeit einer Bestattung innerhalb der Kirche. Dieses Anrecht auf die letzte Ruhe innerhalb des Gotteshauses war somit den geistlichen und weltlichen Eliten vorbehalten und sicherlich mit einem enormen Prestige verbunden.
Auch außerhalb der Kirche, also auf den eingefriedeten Klosteranlagen fanden nach und nach Laienbestattungen statt. Möglich war die Beisetzung innerhalb des Kreuzgangs oder auf dem Klosterfriedhof.

Für die Archäologie musste die Fernwärmebaustelle pausieren.

Während die Franziskaner schon seit 1250/54 das päpstliche Privileg besaßen, jeden auf ihren Friedhöfen zu beerdigen, fiel spätestens zu Beginn des 14. Jahrhunderts nach einem Generalkapitell-Beschluss das Bestattungsverbot auf Kirchhöfen. Für viele Bettelorden war diese Laienbestattung ein einträgliches Geschäft, spülte es doch dringend benötigtes Geld in die Klosterkasse.

Bestattungen auf engem Raum
Die einzelnen annähernden Ost-West orientierten Bestattungen in der Klosterstraße lagen in ausgestreckter Rückenlage, jedoch nicht geordnet nebeneinander. Stattdessen konnten die Experten zahlreiche Überschneidungen unter den Grablegen feststellen. Zudem befanden sich viele der Individuen nicht mehr in ihrem anatomischen Verband. Ein Beleg für den sehr begrenzten Bestattungsraum innerhalb des geweihten Areals und eine mehrfache „Störung“ der Totenruhe.
Ein Teil der Individuen lag in einer dunkelbräunlichen, rechteckigen Verfärbung. Dabei handelt es sich um sogenannte Sargschatten, also die Reste des bereits vergangenen Holzes des Sarges. Lediglich kleine eiserne Sargnägel, die innerhalb des braunen Sediments gefunden wurden, konnten sich bis heute erhalten. Vermutlich wird ein Teil der vorgefundenen Individuen nur in ein Leichentuch eingehüllt in der Kirche begraben worden sein. Denn nicht bei jedem Grabbefund ließ sich ein solcher Sargschatten nachweisen.

In mühevoller Feinarbeit mit Pinsel, Holzspatel und Winkelkratzer werden die Knochen freigelegt.

Die Tatsache, dass seit dem 8. Jahrhundert die Mehrzahl der Verstorbenen im christianisierten Europa ohne Beigaben bestattet wurden, trifft auch auf die Toten von der Klosterstraße zu. So lässt sich eine zeitliche Zuordnung der Bestattungen anhand von Funden, wie Fibeln, Gefäßresten o.ä. nicht vornehmen. Dennoch lassen sich bei genauerer Betrachtung der Verstorbenen Hinweise auf den Zeitpunkt der Niederlegung ablesen: Bei einem Individuum wurden die Hände bei der Bestattung auf dem Brustkorb abgelegt. Während bis in das Hochmittelalter die Arme bei den Toten oftmals am Körper ausgestreckt lagen, wurden besonders zum Ende des Mittelalters die Arme des Leichnams auch über Bauch oder Brust verschränkt beziehungsweise die Hände im Schoß, Bauch oder Becken zum Gebetsgestus gefaltet.

Weitere Untersuchungen – weitere Erkenntnisse
Ob es sich bei den Toten in der Tat um Menschen handelt, die im Spätmittelalter im Franziskanerkloster von Dortmund bestattet worden sind, werden die nachfolgenden naturwissenschaftlichen Untersuchungen des anthropologischen Materials zeigen.
Mittlerweile ist die sehr aufwändige Dokumentation abgeschlossen und die einzelnen Knochen werden sorgfältig geborgen. So ist gewährleistet, dass das fragile Knochenmaterial durch die erforderlichen Bodenverdichtungsmaßnahmen nicht beschädigt wird.
Die Reste der Kirchenmauer können im Boden verbleiben, da sie unterhalb der neuen Leitungen für das neue Fernwärmenetz der DEW21 liegen.

 

Quelle: Pressestelle der Stadt Dortmund; Fotos: Roland Gorecki, Dortmund-Agentur.

 

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