Viel Lärm um Layla

Primitiv? ja, geschmacklos? ja, sexistisch? ja, verbieten? nein !

So präsentierte sich “Leila” auf einem Plattencover in den 60-er Jahren.

Eine Kolumne von Diethelm Textoris

Seit Wochen bewegt ein Lied die deutschen Gemüter. Die einen geraten beim Anhören in ekstatische Partystimmung, viele finden es sexistisch, andere halten es für primitiv und an einer Minderheit geht die Diskussion ganz vorbei. Das Lied heißt „Layla“. Die Interpreten sind DJ Robin und Schürze. Es kommt aus dem Ballermann Milieu. Der Produzent ist Ikke Hüftgold, bekannt auch aus dem Dschungelcamp.

Losgetreten hat die Diskussion die Stadt Würzburg. Sie bat im Juli, es auf dem Kiliani Volksfest nicht zu spielen. Auf der Rheinkirmes in Düsseldorf gab es ein Verbot, das durch eine Instrumentalversion und Mitsingen des Textes umgangen wurde. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hält Verbote für übertrieben. Die Diskussionen um das Lied waren für dieses ein Supercoup. Der Song stand wochenlang an der Spitze der Charts. Hat bis heute 10 Millionen Klicks auf You-Tube eingefahren. Hat Produzent und Interpreten reich gemacht. Produzent Hüftgold, er heißt übrigens nicht wirklich so, stilisiert sein Machwerk inzwischen zum „Symbol der Freiheit“ hoch. 

Verbote bewirken oft das Gegenteil
Für unsere Nachbarstadt Lünen, in der Mitte September die „Lünsche Mess“ stattfand, war der Song in der Stadtverwaltung kein Thema, mit dem man sich beschäftigen wollte. Also konnten die Musikmacher das Lied ohne Einschränkungen spielen. Beim augenblicklichen Oktoberfest in München ist nach anfänglichem Hick Hack „Layla“ nun der absolute Wiesnhit, unzensiert und ohne textliche Veränderungen. Für Münchens Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) war die ganze Diskussion eh „ein Hauch zu blöd“.
Ministerpräsident Markus Söder gab sich mal wieder staatsmännisch: „Jeder soll auf der Wiesn singen können, was er will.“ Aber Recht hat er. Verbote bringen nichts. Sie machen das Verbotene nur noch interessanter. Von einem Eingriff in die vom Grundgesetz garantierte Freiheit der Kunst ganz zu schweigen. Wenn auch manch einer diesem Werk den Kunstcharakter abspricht. Man muss den Anfängen wehren. Mit der Diffamierung als „Negermusik“ haben die Nazis den Jazz verteufelt, haben das Swingtanzen verboten, genauso wie die Musik nichtarischer Künstler und Komponisten.

DJ Tex vom Mini-Espresso heizte in den 70-er Jahren oft die Stimmung mit heute als sexistische eingestuften Liedern an.

In welche kulturelle Öde das geführt hat, wissen wir alle. Mag Layla noch so sexistisch sein. Die Entscheidung sollte man dem Publikum und den Musikmachern überlassen. Wobei letztere sich oft in einer Zwickmühle zwischen Publikumsgeschmack und eigenem Empfinden bewegen. Es ist einfach zu verlockend, bei einem Stimmungshoch noch einen draufzusetzen. Ich erinnere mich noch gut an meine eigene DJ-Zeit in den 70-er Jahren im legendären Mini-Espresso in Oestrich. Da habe ich manchmal auch ohne ausdrücklichen Wunsch der Gäste das Medley „Am Abend auf der Heidi“ gespielt oder bei den Gästen für den „Puff von Barcelona“ geworben, wo angeblich „1000 nackte Weiber auf dem Männerpissoir“ zu finden sind. Oder als Handwerker die Scherenschleifer von Paris empfohlen. Ob ich das heute auch noch machen würde? Eher nicht. Nur eins ist festzuhalten. Sexistische Lieder gibt es seit Jahrzehnten, wahrscheinlich seit Jahrhunderten.

Es ist alles schon mal dagewesen
Der weise Rabbi Ben Akiba hat gesagt: „Es ist alles schon mal da gewesen.“ Und eine Layla gab es wirklich schon auf dem Plattenmarkt. Im Jahre 1960. Die schrieb sich damals mit „i“. Sie lebte statt in einem Freudenhaus in einem Frauenhaus, einem Harem in Algier. Nach ihr schmachtete ein armer bleicher Legionär: „Laila nur die eine Nacht erwähle mich, küsse mich und quäle mich“, hieß es in dem Text. Interpreten waren die Regento Stars mit dem polnisch-niederländischen Sänger Bruno Majcherek, der seine mangelnden Deutschkenntnisse auch auf die Plattenrille bannte: „So wie du, hat mir noch keine betrogen.“ Oder: „Stellen Sie sich vor, ich bin eine wilde Räuber und sage: Hände hoch oder ich schieße Sie.“

Wenn die Stimmungswellen hoch schlagen, wünschen sich oft auch Frauen den Skandal-Song Layla.

Die Platte kam zeitweise auf den Index, keine öffentliche Werbung, für Jugendliche ungeeignet, Boykott bei Öffentlich-Rechtlichen Sendern. Erfolg: 1,6 Millionen verkaufte Singles. Doch zurück zur Layla des Jahres 2022. „Ich hab’ ‘nen Puff und meine Puffmama heißt Layla, sie ist schöner, jünger, geiler.“ So der Refrain. „Geiler als wer?“ fragt man sich als unvoreingenommener Zuhörer. Als die eigene Frau oder die Freundin? Die Frage bleibt unbeantwortet. Allgemein scheint der Texter auch nicht gut recherchiert zu haben. Dafür hätte er noch nicht mal ein Etablissement aufzusuchen müssen. Nachlesen kann man es in jedem Wörterbuch. Die Puffmutter führt die Aufsicht in einem Bordell. Sie ist die Chefin, bietet also gar keine eigenen Dienstleistungen an. Was nutzt da das Schöner und Geiler? 

Und was hält frau von diesem Lied? „Es sind sehr häufig Frauen, die sich das Lied wünschen und dann auch laut mitsingen”, verrät der Lüner DJ Stevie Hard. „Der Text ist niveaulos und das Frauenbild ist einfach entwürdigend“ meint eine ehemalige Deutschlehrerin. Eine Frau, die, wie sie zugibt, gerne und ausgelassen feiert, urteilt: „Mich versetzt das Lied nicht in Stimmung. Es ist schrecklich und blöd. Halt Ballermann Musik.“ Und was meint der Verfasser dieser Kolumne? Verbote brauchen wir nicht. Die Grenzen des guten Geschmacks sollte jeder für sich selbst ziehen. Bei neueren und besseren Einsichten auch enger. Dann laufen sich Lieder wie Layla mit der Zeit selbst tot.

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