Buchempfehlung des Monats

Robert Seethaler: Das Café ohne Namen

Mario Lars: Bücher

Fast 10 Jahre existiert das Café. Einen Namen braucht es nicht, die Leute kommen einfach. Ein richtiges Café ist es auch nicht. Es gibt zwar Kaffee, sonst aber Bier, Wein, Schnaps, auch Limonade, Schmalzbrote, Gurken und im Winter Punsch. 1966 ist Wien im Aufbruch. Das Karmelitermarktviertel ist eines der ärmsten und dreckigsten, der Krieg noch nicht ganz fortgeräumt.

 Aber „überall knatterten, hämmerten und kreischten die Maschinen, die Wirtschaft beginnt wieder zu sprudeln“, bis schließlich in einem „glashellen, von einer summenden Klimaanlage angenehm temperierten Büro“ zwei freundlich lächelnde Geschäftsleute und ein Anwalt das Schicksal des alten Mietshauses, in dem sich das Café befindet, besiegeln. Abriss und Neubau für eine neue Zeit. 

Während das Café besteht, ist es Treffpunkt und Zufluchtsort der vielzitierten kleinen Leute. Der Fischhändler Frank Wessely, der Heumarktringer und Kartenverkäufer beim Autodrom René Wurm, der frühpensionierte Gaswerkskassierer Harald Blaha mit dem schockierenden Glasauge, die missgünstige Rose Gebhartl, der Fleischermeister mit der stets wachsenden Kinderschar, die Textilfabrikarbeiterinnen und Verkäufer, die Trinker und Verlorenen der Großstadt, die das Glück auf der Schattenseite suchen, wie so viele – sie kommen und reden, trinken und reden, essen ein wenig und reden in dem kleinen Eckchen Zuhause auf Zeit.

Robert Simon, dessen Name nicht zufällig auf den des Autors verweist, ist der Wirt, anspruchslos, nüchtern und unsentimental. Er hatte nur den einen Traum: ein Café, genauso, wie er es geführt hat. Er lässt die Menschen sein, urteilt nicht, kümmert sich aber gelegentlich, ruhig und ohne Aufheben. Doch sein Traum ist unter der vielen Arbeit verblasst und dünn geworden. So schließt er ohne Bedauern, nimmt seine Jacke vom Haken und geht. 

Seethalers vielbeschworene Sprache trägt diesen kleinen, feinen Roman. Klar und schnörkellos beschreibt er den ganz eigenen Mikrokosmos der einfachen Menschen der Wiener Aufbauzeit in Szenen, die manchmal von Loriot stammen könnten, wie die des Familienpicknicks des Fleischermeisters. Mal stellen seine Sequenzen aber auch die Tragik manchen Lebens knapp und treffsicher dar.
Das leichte und lakonische Schreiben schenkt ein großes Lesevergnügen.

Hella Koch – Buchhandlung am Amtshaus

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