Gülle & Demokratie – Eine Kolumne von Peter Grohmann

Gülle & Demokratie

Von Peter Grohmann

Die zwei Jüngeren unter Ihnen werden sich noch gut und gern an diesen beliebten Schlager von 1952 erinnern, nur sieben Jahre nach der Befreiung vom Faschismus:

Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere
Nur weil die Bäume hoch sind und diese Tiere groß sind…
Die süßesten Früchte schmecken dir und mir genauso
Doch weil wir beide klein sind, erreichen wir sie nie…

Das war Kassenkampf pur – Leila Negra mit einem Mann an ihrer Seite, 1952 war auch das Jahr, in dem der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher starb. Als sein Sarg nach Hannover überführt wurde, säumten Zehntau-sende die 250 km lange Standspur. Heute ist das Betreten der Autobahn nur Bauern erlaubt, der Schumacher hat zugemacht.

“Alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will”, drohte bereits seinerzeit meine Omi Glimbzsch, wenn sie mit ihren Stuttgarter Freund Georg Herwegh (oft verwechselt mit Herdweg) auf die Demos ging: אַלע ווילז שטיין נאָך ווען דיין שטאַרק אַלע ווילז שטיין נאָך ווען דיין שטאַרק אָרעם וויל עס.

Das ist längst das Kleine ABC des Landwirts von heute. Er kann mit .אָרעם וויל עס seinem Trecker, erzählte mir mein Bauer, die ganze Republik lahmlegen, von einem Tag auf den anderen, wenn er will. Er will noch nicht, er spielt nur – mit Feuer und Gülle und falschen Fuffzigern. Aber als kleiner Angestellter in der Landwirtschaft verdient er die Hälfte dessen, was eine Durchschnittsangestellte an den heimischen Herd holt, während “sie” zusätzlich noch Kinder und Hühner füttern muss und den Saustall ausmistet. Bild hat mitgemistet. Der quere Bruttolohn aller Berufs- und Tarifgruppen lag bei 38.198 EU – dafür würde ein Daimlerarbeiter nicht mal die Stoßstange abwischen. Angestellte in der Landwirtschaft erhielten dagegen nur 18.509 Euro – damit das mal klar ist.

72 % der essenden Landsleute finden gut, was der Bauer so treibt, das sind die nicht zeitungslesenden Mehrheiten. Wenn sich der Winterwind weiter so dreht, treibt der Bauer die Regierung nach rechts in den Ruin. Dann fällt die Spargelernte aus, weil der Pole heim in die polnisch besetzen Gebiete remigriert. Anders sieht die Sache bei den Großagrariern aus. Da betrifft die auf den Müllhaufen der Geschichte geworfene Kürzung beim Diesel nur ein putziges Teilchen der Gesamtsubventionen.

Es ist bloß der Wind, der Wind, das himmlische Kind, der die Demokratie vor sich hertreibt und die braune Gülle stinken läßt. Merke: Die süssesten Früchte ernten bei den nächsten Wahlen die Völkischen Beobachter.

Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de

 

 

 

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